Robert Klatt
Eine genomweite Assoziationsstudie hat zur Entdeckung von 19 Risikogenen für Alkoholismus geführt. Dies ermöglicht ein besseres Verständis der biologischen Prozesse, die zu einer Alkoholsucht führen und die Entwicklung neuer Medikamente.
Aarhus (Dänemark). In der Wissenschaft gilt es als sicher belegt, dass übermäßiger Konsum von Alkohol und die Entwicklung von Alkoholismus auf eine Kombination genetischer Veranlagungen und der individuellen Lebensumstände zurückgehen. Das „Alkoholiker-Gen“ existiert aber nicht, viel mehr scheint für den erblichen Bestandteil der gesundheitsgefährdenden Neigung eine Mischung von verschiedener Prädisposition verantwortlich zu sein. Insgesamt konnte die Forschung bisher zehn Gene identifizieren, die die Entstehung von Alkoholismus begünstigen können.
Wissenschaftler der Aarhus Universität haben nun im Fachmagazin Nature Neuroscience eine die Ergebnisse einer sogenannten genomweite Assoziationsstudie publiziert, die genetische Alkoholismus-Einflussfaktoren näher untersucht hat. Genomweite Assoziationsstudie werden genutzt, um herauszufinden, welche Gene gemeinsam mit welchen Merkmalen auftreten. Im konkreten Fall wurde also untersucht, welche Genvarianten bei Alkoholikern und anderen Menschen mit problematischem Alkoholkonsum häufiger auftreten als bei der Durchschnittsbevölkerung.
Wie Mette Nyegaard, eine Co-Autorin der Studie erklärt, „muss man für diese Art der Untersuchung Zugang zu einer sehr großen Menge an DNA-Material in Form der vollständigen genetischen Profile von mehreren hunderttausend Personen haben.“ Die Wissenschaftler haben deshalb Daten von 435.000 Menschen aus drei Datenbanken ausgewertet, die sowohl die genetischen Sequenzen als auch Informationen über den Lebensstil und die Gesundheit speichern. Ab Alkoholismus vorlag, war entweder direkt in der Datenbank gespeichert oder konnte aus den Befragungsinformationen ermittelt werden.
Neben den zehn bereits bekannten Alkoholismus-Risikogene konnten 19 weitere Gene identifiziert werden, die einen problematischen Alkoholkonsum zu begünstigen scheinen. Es befinden sich darunter auch Gene, die eine Funktion im Gehirn oder Nervensystem haben, zum Beispiel ein Gen, das für einen Rezeptor des Glückshormons Dopamin verantwortlich ist. Laut den Studienautoren ermöglichen die neu entdeckten Risikogene ein besseres Verständnis der biologischen Mechanismen, die bei der Entstehung von Alkoholismus ablaufen.
In der Zukunft können die neuen Erkenntnisse laut den Wissenschaftler bei der Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von Alkoholsucht helfen. Dazu müssen weitere Studie aber erst zeigen, welche Ansatzpunkte dazu geeignet sind. Das Potenzial wird jedoch als sehr hoch eingeschätzt, weil von einigen der Risikogene bereits bekannt ist, dass ihre Funktion sich durch schon erhältlich Medikamente beeinflussen lässt.
Nature Neuroscience, doi: 10.1038/s41593-020-0643-5