Dennis L. nenoitarepooK etlhazeb tlähtnE
Eine aktuelle Studie offenbart beunruhigende Erkenntnisse über die unterschätzte Bedrohung durch Parodontitis: Millionen Menschen in Deutschland sind von der schleichenden Entzündung betroffen, ohne von der Gefahr zu wissen. Die Forschungsergebnisse zeigen erstmals, wie dramatisch hoch das Risiko für schwere Folgeerkrankungen ist. Neue Daten könnten das Verständnis über Parodontitis grundlegend verändern – mit weitreichenden Konsequenzen für die allgemeine Gesundheit.
Münster (Deutschland). Laien sprechen oft von „Parodontose“, Fachleute von Parodontitis – einer der häufigsten chronischen Entzündungserkrankungen im Mundraum und zugleich einer der Hauptgründe für Zahnverlust im Erwachsenenalter. Diese durch bakterielle Zahnbeläge ausgelöste Erkrankung des Zahnhalteapparats (Parodont) führt unbehandelt zu fortschreitendem Zahnfleischschwund und Abbau des Kieferknochens. Zu den wichtigsten Risikofaktoren der Parodontitis zählen unzureichende Mundhygiene und Tabakkonsum. Entsprechend verbreitet ist das Leiden: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass weltweit über eine Milliarde Menschen von schweren Parodontalerkrankungen betroffen sind. Auch in Deutschland gilt Parodontitis als Volkskrankheit mit mehr als zehn Millionen Betroffenen. Problematisch ist dabei, dass die Erkrankung oft über lange Zeit kaum spürbare Beschwerden verursacht. Dadurch wird sie häufig erst in fortgeschrittenen Stadien erkannt – dann, wenn Symptome wie Zahnfleischbluten, Zahnlockerungen und Knochenabbau bereits deutlich ausgeprägt sind.
Mittlerweile ist wissenschaftlich belegt, dass Parodontitis weitreichende Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit haben kann. Zahnfleischentzündungen beeinflussen nämlich nicht nur die Mundhöhle, sondern stehen mit diversen systemischen Erkrankungen in Zusammenhang – von Diabetes mellitus über Herz-Kreislauf-Leiden und Schwangerschaftskomplikationen bis hin zu neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz. Eine unbehandelte Parodontitis kann beispielsweise das Risiko für Herzinfarkte erhöhen und die Blutzuckerkontrolle bei Diabetes-Patienten verschlechtern. Umgekehrt teilen Parodontitis und viele dieser Krankheiten gemeinsame Risikofaktoren (etwa Rauchen oder ungünstige Ernährungsgewohnheiten), was wechselseitige negative Einflüsse begünstigt. Trotz der potenziell gravierenden Folgen wurde die Zahnbettentzündung in Deutschland lange unterschätzt: Gemessen an ihrer Verbreitung war die Versorgung der Patienten über Jahre unzureichend. Erst seit 2021 greifen neue Richtlinien, die eine systematische Parodontitis-Therapie nach modernen wissenschaftlichen Maßstäben vorsehen. Diese Reform der Versorgung – von intensiver Aufklärung und Prophylaxe bis hin zu regelmäßiger Nachsorge – soll die Behandlungserfolge verbessern und die Parodontitislast langfristig senken. Entscheidend ist, dass die Erkrankung frühzeitig erkannt und konsequent behandelt wird, denn eine rechtzeitige Therapie kann das Fortschreiten der Parodontitis aufhalten und den Erhalt der Zähne sichern.
Die aktuelle Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS 6) zeigt, dass Parodontitis in Deutschland weiterhin extrem weit verbreitet ist. In beiden untersuchten Alterskohorten – den 35- bis 44-Jährigen und den 65- bis 74-Jährigen – wies die große Mehrheit Anzeichen einer Parodontalerkrankung auf. Bei den jüngeren Erwachsenen waren beeindruckende 95,1 % von Parodontitis betroffen (mindestens Stadium I), während es bei den jüngeren Seniorinnen und Senioren 85,2 % waren. Dabei nimmt mit steigendem Alter insbesondere der Schweregrad deutlich zu: Nur rund jeder sechste jüngere Erwachsene (17,5 %) leidet an einer schweren Parodontitis (Stadium III/IV), jedoch mehr als die Hälfte (52,7 %) der 65- bis 74-Jährigen. Hochgerechnet entspricht dies etwa 14 Millionen Betroffenen allein mit schwerer Parodontitis bundesweit – ein Befund, der die Einstufung als Volkskrankheit eindrucksvoll untermauert. Im Zeitvergleich verdeutlichen die DMS-Ergebnisse zwar gewisse Verbesserungen, doch keinen grundsätzlichen Wendepunkt: Frühere Erhebungen wie die DMS V (2014) verzeichneten bereits einen Rückgang der schweren Verlaufsformen bei mittleren Jahrgängen durch präventive Maßnahmen und eine Abnahme der Parodontalerkrankungen bei Senioren trotz steigender Zahnanzahl. Dennoch bleibt die Prävalenz chronischer Zahnfleischentzündungen auf hohem Niveau. Positiv hervorzuheben ist, dass immer weniger Menschen im höheren Alter vollständig zahnlos sind – in der Altersgruppe 65–74 liegt der Anteil dank präventionsorientierter Zahnmedizin nur noch bei etwa 5 %. Dies spiegelt den Erfolg kariesprophylaktischer Vorsorge und Zahnerhalt wider, führt aber zugleich dazu, dass Parodontitis sich vermehrt bis ins hohe Alter manifestieren kann, da Senior*innen ihre Zähne länger behalten und somit überhaupt erst erkranken können. Langfristig ist Parodontitis damit weiterhin ein zentrales Thema der öffentlichen Gesundheitsvorsorge, zumal mit einer alternden Bevölkerung zu rechnen ist.
Die DMS 6 offenbart ausgeprägte Risikogruppen und soziale Unterschiede in der Verteilung der Parodontitis. Personen mit niedrigem Bildungsniveau sind deutlich häufiger von schweren parodontalen Erkrankungen betroffen. Dieser soziale Gradient zeigt sich über alle Altersgruppen hinweg und setzt eine bekannte Ungleichverteilung fort: Sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen tragen eine überproportionale Krankheitslast. So war in der Studie die Prävalenz von Parodontitis Stadium IV (sehr schwere Verlaufsform) bei Menschen mit geringer Bildung, Raucherinnen und Diabetikerinnen signifikant höher, während sie bei Personen mit guter Mundhygiene merklich niedriger ausfiel. Diese Befunde bestätigen, was auch international gilt – gemäß der Weltgesundheitsorganisation gehören unzureichende Mundhygiene und Tabakkonsum zu den Haupt-Risikofaktoren für Parodontitis. Gleichzeitig weisen chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus eine enge Wechselwirkung mit Parodontitis auf und erhöhen das Risiko für einen schweren Verlauf. Die neuen Daten der DMS 6 verdeutlichen zudem, dass präventive Angebote bislang nicht alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen erreichen. In allen Altersgruppen sind die Befunde bei sozial besser gestellten Probanden deutlich günstiger, während etwa bildungsferne Schichten und starke Raucher nach wie vor eine höhere Parodontitisprävalenz aufweisen. Die Studienautor*innen betonen daher die Notwendigkeit, künftige Prophylaxestrategien gezielt an diejenigen Gruppen anzupassen, die bisher vom Präventionsangebot kaum profitiert haben. Insgesamt zeigen die neuen Erkenntnisse aus DMS 6, dass trotz verbesserter Zahngesundheit in weiten Teilen der Bevölkerung verstärkte Anstrengungen nötig sind, um Parodontalerkrankungen einzudämmen. Fachverbände und Wissenschaft appellieren, die sektorübergreifende Vorsorge zu stärken und insbesondere für Hochrisikogruppen – etwa Raucher, Diabetiker oder sozial Schwächergestellte – niedrigschwellige, effektive Präventions- und Behandlungsangebote bereitzustellen. Nur so lässt sich der seit Jahrzehnten beobachtete Rückgang einzelner Kennzahlen (wie Zahnverlust) endlich auch in einen nachhaltigen Rückgang der Parodontitis-Prävalenz übersetzen, damit diese Volkskrankheit künftig an Gewicht verliert.
Parodontitis gilt längst als Volkskrankheit mit erheblicher aktueller Relevanz. Die chronische Zahnfleischentzündung ist so weit verbreitet, dass in Deutschland Schätzungen zufolge fast 12 Millionen Erwachsene an einer schweren Parodontitis leiden. Bereits in der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen weist gut die Hälfte eine moderate oder schwere Verlaufsform auf, bei 65- bis 74-Jährigen sind es rund zwei Drittel. Trotz dieser alarmierenden Verbreitung wird die Gefahr oft unterschätzt: Parodontitis verläuft im Frühstadium meist nahezu schmerzfrei und bleibt daher lange unbemerkt. Viele Betroffene suchen erst in fortgeschrittenen Stadien zahnärztliche Hilfe, wenn aufwendige Therapien nötig werden und die Prognose für den Zahnerhalt bereits vermindert ist. Unbehandelt führt die Entzündung des Zahnhalteapparats häufig zum Verlust von Zähnen – in der Altersgruppe über 40 gehen inzwischen sogar mehr Zähne durch Parodontitis verloren als durch Karies. Die Folgen dieser Volkskrankheit beschränken sich jedoch keineswegs nur auf den Mundraum. Als systemische Entzündung steht Parodontitis in enger Wechselwirkung mit der Allgemeingesundheit: Medizinische Studien zeigen Zusammenhänge mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden und sogar Komplikationen in Schwangerschaft oder Demenz. Eine aktuelle Untersuchung ergab zudem, dass Parodontitis-Patienten bei einer COVID-19-Infektion ein signifikant höheres Risiko schwerer Krankheitsverläufe haben. Durch die geteilten Risikofaktoren – etwa Rauchen oder Diabetes – und die ständige Entzündungsbelastung für den Organismus kann Parodontitis somit indirekt schwere gesundheitliche Probleme begünstigen. Entsprechend warnen Experten, die Krankheit keinesfalls als bloße Zahnfleischproblematik abzutun. Parodontitis ist vielmehr eine ernstzunehmende chronische Krankheit, die Zahnverlust, körperliche Folgeerkrankungen und eine deutliche Minderung der Lebensqualität nach sich ziehen kann.
Auch aus gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht ist die Volkskrankheit Parodontitis von größter Bedeutung. Weltweit werden die jährlichen Kosten durch Zahn- und Zahnbetterkrankungen – insbesondere Karies, Parodontitis und daraus resultierenden Zahnverlust – auf rund 710 Milliarden US-Dollar (etwa 640 Milliarden Euro) geschätzt. Einen Großteil dieser wirtschaftlichen Last machen Folgeschäden der Parodontitis aus: Parodontitis und nachfolgender Zahnverlust sind für etwa 75 % der globalen Produktivitätsverluste durch orale Erkrankungen verantwortlich. In Deutschland verursachten Zahn- und Zahnfleischerkrankungen im Jahr 2019 direkte Behandlungskosten von rund 27,8 Milliarden Euro, hinzu kamen geschätzte 17,5 Milliarden Euro an indirekten Kosten durch krankheitsbedingte Produktivitätsausfälle. Schätzungen zufolge führt schwere Parodontitis – insbesondere in Verbindung mit chronischen Systemerkrankungen – sogar zu mehr krankheitsbedingten Ausfallzeiten als jede andere einzelne Erkrankung. Diese Zahlen verdeutlichen die enorme Belastung, die Parodontitis für Volkswirtschaft und Gesundheitssystem darstellt. Die aktuelle Relevanz spiegelt sich auch in neuen gesundheitspolitischen Maßnahmen wider: So wurde 2021 eine umfassende Parodontitis-Behandlungsrichtlinie eingeführt, die gesetzlich Versicherten eine systematische Therapie nach modernsten wissenschaftlichen Standards ermöglicht. Ein zentrales Element dieser neuen „Behandlungsstrecke“ ist eine engmaschige, langfristige Nachsorge, von der insbesondere Risikogruppen wie Pflegebedürftige durch einen erleichterten Zugang profitieren. Gleichzeitig läuft eine breite Aufklärungskampagne: Beim Tag der Zahngesundheit 2021 wurde etwa mit Nachdruck auf die Gefahren der Parodontitis hingewiesen und die Bevölkerung für bessere Mundhygiene und Vorsorge sensibilisiert. Fachleute fordern zudem eine stärkere Verzahnung von Zahnmedizin und Allgemeinmedizin, da eine konsequente Parodontitis-Behandlung beispielsweise bei Diabetikern einen positiven Effekt auf deren Grunderkrankung haben und Folgekosten reduzieren kann. All diese Bemühungen unterstreichen, dass Parodontitis nach wie vor eine hochrelevante Volkskrankheit ist – ein gesundheitliches und gesellschaftliches Problem, dem mit intensiver Prävention, früher Therapie und interdisziplinärem Ansatz begegnet werden muss.
Die Auswirkungen der Parodontitis beschränken sich längst nicht nur auf die Mundhöhle. Aktuelle Forschungsergebnisse verdeutlichen eindrucksvoll, dass die Erkrankung eine erhebliche systemische Belastung für den gesamten Körper darstellt. So besteht beispielsweise ein wissenschaftlich nachgewiesener, wechselseitiger Zusammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes mellitus: Diabetiker leiden überdurchschnittlich häufig an schweren Verlaufsformen der Parodontitis, während umgekehrt die entzündliche Zahnbetterkrankung eine optimale Blutzuckereinstellung erschwert. Diese Wechselwirkung kann langfristig das Risiko schwerer Diabetes-Folgeerkrankungen wie Nieren- oder Herz-Kreislauf-Schäden erhöhen. Ebenso relevant sind die kardiovaskulären Risiken einer unbehandelten Parodontitis: Durch die permanente Ausschüttung entzündlicher Substanzen und den möglichen Eintritt von Parodontitis-Bakterien in die Blutbahn steigt das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich an. Mediziner sprechen hierbei inzwischen von Parodontitis als eigenständigem Risikofaktor, vergleichbar mit klassischen Gefäßrisiken wie Rauchen oder Bluthochdruck.
Auch in Bezug auf neurodegenerative Erkrankungen und Atemwegsgesundheit zeigt die Parodontitis weitreichende gesundheitliche Bedeutung. Forschungsergebnisse liefern Hinweise darauf, dass chronische Entzündungen im Mundraum langfristig das Risiko für die Entwicklung einer Demenz, insbesondere Alzheimer, erhöhen könnten. So wurden Parodontitis-Erreger und deren entzündliche Stoffwechselprodukte bereits in Gehirngewebe von Alzheimer-Patienten nachgewiesen, was die Vermutung stützt, dass parodontale Entzündungen auch an der Pathogenese neurodegenerativer Erkrankungen beteiligt sein könnten. Zudem beeinflusst Parodontitis die Lungen- und Atemwegsgesundheit, besonders bei älteren oder immungeschwächten Personen. Parodontalbakterien können in die Atemwege gelangen und so das Risiko für schwere Infektionen wie Lungenentzündungen erheblich erhöhen. Nicht zuletzt steigt bei Frauen mit unbehandelter Parodontitis während der Schwangerschaft das Risiko für Komplikationen wie Frühgeburten oder Präeklampsie. Insgesamt belegen diese Zusammenhänge eindrücklich, dass die Bedeutung der Parodontitis weit über die Zahngesundheit hinausgeht und dringend als integraler Bestandteil der allgemeinen Gesundheitsvorsorge anerkannt werden sollte.