Robert Klatt
Das Bakterium Listeria monocytogenes gehört zu den gefährlichsten Lebensmittelkeimen der Erde und führt bei etwa 30 Prozent der Menschen, bei denen eine Listeriose ausbricht zum Tod. Nun wurde in China ein neuer besonders virulenter Stamm dieses Krankheitserregers entdeckt.
Gießen (Deutschland). Das Bakterium Listeria monocytogenes gehört zu dem gefährlichsten Lebensmittelkeimen der Erde. Listerien, die die Infektionskrankheit Listeriose auslösen werden vor allem über Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte aber auch über Rohmilchprodukte, abgepackte Salate und andere Lebensmittel verbreitet. Die Folgen der Krankheit sind gravierend und führen durch Organschäden, Hirnhautentzündungen und Blutvergiftungen dazu, dass vor allen Senioren, Menschen mit schwachem Immunsystem und Kleinkinder daran sterben. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit etwa 30 Prozent der Patienten eine Listeriose-Erkrankung nicht überleben.
In der Medizin gehören Listeriosen außerdem zu den besonders problematischen Krankheiten, weil schwere Symptome häufig erst zwei Monate nach der Infektion bemerkt werden. Die Quelle der Listeria monocytogenes Bakterien lässt sich im Nachhinein deshalb nur noch schwer identifizieren, was einen Rückruf bei verseuchten Lebensmittel fast unmöglich macht. Außerdem haben einige Listerienstämme eine Immunität gegen gängige Desinfektionsmittel entwickelt, was zu einem weiteren Anstieg von Infektion mit dem Lebensmittelkeim geführt hat.
Nun hat ein internationales Team aus Wissenschaftlern unter Beteiligung der Justus-Liebig-Universität Gießen in China einen bisher unbekannten, nochmals aggressiveren Listerienstamm entdeckt. Laut Yuelan Yin von der Yangzhou Universität „sind diese Bakterien die virulentesten Vertreter dieser Spezies, die bis heute bekannt sind.“ Entdeckt wurde der Bakterienstamm mit dem Namen HSL-II bisher ausschließlich bei Ziegen und Schafen, eine zukünftige Ausbreitung auf den Menschen über tierische Produkte ist aber wahrscheinlich.
Im Gegensatz zu den bereits bekannten Varianten von Listeria monocytogenes, die sich alle relativ stark ähneln, zeigt der neu entdeckte Listerienstamm deutlich Unterschiede, wie eine komplett andere Oberflächenstruktur und eine Reihe von Besonderheiten in den Genen. Dies hat der Listerienstamm erreicht, in dem er Virulenzmerkmale verschiedener Listeria-Arten durch das teilweise Kopieren von Fremdgenen übernommen hat. Laut den Wissenschaftlern „ist dies der einzige bekannte Listerienstamm, der Gensegmente einer anderen Listerienart in sich trägt.“
Bei Versuchen mit Mäusen zeigte sich laut des im Fachmagazin Nature Communications veröffentlichten Papers, dass der Krankheitserreger sich besonders effektiv in Zellen des Darms einnisten kann. Auch andere Organe wie die Milz, die Lymphknoten und die Leber werden mit hoher Aggressivität befallen. Glücklicherweise kann der neue Listerienstamm derzeit noch mit gängigen Medikamenten behandelt werden. Einzig gegen das Antibiotikum Clindamycin hat er bereits eine Resistenz entwickelt.
Außerdem können herkömmliche Polymerase-Kettenreaktion (PCR) den neuen Listerienstamm nicht erkennen. Laut Yin verhindern „seine ungewöhnlichen Eigenschaften, vor allem der Rhamnose-negative Phänotyp, dass dieser Stamm als Mitglied der Spezies Listeria monocytogenes erkannt werden kann.“
Um die Übertragung auf den Menschen zu verhindern und das bisher nur kleine Ausbreitungsgebiet nicht zu vergrößern, fordern die Wissenschaftler in Zukunft eine noch stärkere Überwachung von Listerien. Trinad Chakraborty, Co-Autor der Studie erklärt, dass „da es sich bei der Listeriose um eine durch Lebensmittel übertragene Infektion handelt, Maßnahmen zur Identifizierung solch hochvirulenter Stämme von großer Dringlichkeit sind.“
Er fügt hinzu, dass „der Nachweis einer völlig neuen Form von pathogenen Listeria monocytogenes in China die Notwendigkeit einer internationalen Kooperationen unterstreicht, um nicht nur multiresistente Bakterien, sondern auch neu auftretende Bedrohungen der Lebensmittelsicherheit durch hochvirulente Stämme weltweit schnell zu identifizieren.“
Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-019-12072-1