Conny Zschage
Der Herzschrittmacher ist eine der beeindruckendsten und bedeutsamsten Erfindungen der modernen Medizin. Jedes Jahr werden hunderttausende von den kleinen Geräten implantiert, um Menschen mit Herzrhythmusstörungen zu helfen. Doch manchmal ist ein Einsatz nur vorübergehend nötig, für eine Entfernung müsste aber erneut operiert werden. Um dieses unnötige Risiko zu vermeiden, wurde nun ein Herzschrittmacher entwickelt, welcher vollständig vom Körper abgebaut werden kann.
Evanston (U.S.A.). Nach einem Herzinfarkt, einer Herz-OP oder einer Medikamentenüberdosis benötigt das Herz oftmals einen Herzschrittmacher, um korrekt zu funktionieren und zu gewährleisten, dass es nicht zu Ausfällen kommt. Doch nach einiger Zeit stabilisiert sich das Herz oftmals wieder und der Herzschrittmacher muss durch eine erneute Operation am Herzen wieder entfernt werden.
Temporäre Herzschrittmacher, welche keine erneute Operation benötigen, gibt es bereits. Doch bei diesen werden die Schrittmacherelektroden direkt auf den Herzmuskel aufgenäht und die benötigten Drähte aus der Brust des Patienten geführt, um außen an eine externe Schrittmacherbox angeschlossen zu werden. Dieses Verfahren ist risikoreich, da bei dem kleinsten Verrutschen der Drähte wichtige Verbindungen gelöst werden können. Zudem kann sich die Stelle, an der die Drähte aus der Brust austreten leicht infizieren. Hinzu kommt, dass die gesamte Prozedur äußerst unangenehm für den Patienten ist, der sich währenddessen ständig in Behandlung befinden muss, um sicherzustellen, dass die sensible Apparatur ordnungsgemäß funktioniert.
Ein Team der Northwestern University hat nun einen temporären Herzschrittmacher entworfen, welcher am Ende seines Einsatzes einfach vom Körper abgebaut wird. Das Gerät besteht aus plastikartigen Biopolymeren, welche bereits in anderen Bereichen der Medizin zum Einsatz kommen. Selbst die siliziumhaltigen Teile des neuartigen Geräts, welche für die elektronischen Funktionen zuständig sind, zerfallen in völlig harmlose Stoffe. Durch leichte Variationen der Dicke und Materialzusammensetzung der verschiedenen Teile kann exakt bestimmt werden, nach wie langer Zeit sich der Herzschrittmacher zersetzen soll.
Der Herzschrittmacher, welcher implantiert wird, ist hauchdünn und wiegt weniger als einen halben Gramm. Energie empfängt es drahtlos durch resonanz-induktive Kopplung, einer Technik, die auch bei manchen Handys zum Einsatz kommt. Dafür sitzt ein Energiesender auf der Brust, der die Energie drahtlos an den Herzschrittmacher sendet. Sobald er nicht mehr benötigt wird, kann der Sender ohne Probleme entfernt werden und das eigentliche Gerät am Herzen baut sich vollständig ab. Im Gegensatz zu den bisherigen Möglichkeiten für temporäre Herzschrittmacher ist die neue Technologie weitaus unkomplizierter, sicherer und angenehmer für den Patienten.
Einige Prototypen der neuen Erfindung wurden schon an Mäusen, Ratten und Hunden ausprobiert und funktionierten tadellos. Da die neue Technologie auch kostengünstiger als bisherige temporäre Schrittmacher ist, hoffen die beteiligten Wissenschaftler auf eine baldige Zulassung des Geräts bei Menschen, welches sich schnell gegenüber traditionellen Schrittmachern durchsetzen könnte. Die zugrundeliegende Bio-abbaubare Technik könnte auch für andere Implantate wie Defibrillatoren oder Insulin-Pumpen nützlich sein. In der Studie, welche im Fachjournal Nature veröffentlicht wurde, schreiben die Autoren zudem, dass die Technologie eine neue Generation bei temporären Herzschrittmachern einleitet.
Nature, doi: 10.1038/s41587-021-00948-x