Robert Klatt
Ein neuer Kaugummi verändert bei Parodontitis und anderen Krankheiten des Mundraums seinen Geschmack und ermöglicht so die Früherkennung.
Würzburg (Deutschland). Kaugummis sind nicht nur wegen ihres Geschmacks beliebt, sondern steigern auch die Konzentration, bauen Stress ab und beugen in ihrer zuckerfreien Variante Karies und anderen Zahnproblemen vor. Nun haben Wissenschaftler der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) ein neuer Kaugummi entwickelt, das vor Krankheiten im Mundraum warnt. Bei Entzündungen wie Parodontitis wird dazu ein Bitterstoff freigesetzt, der eine Geschmacksveränderung auslöst und so zeigt, dass ein Gesundheitsproblem vorliegt.
Laut einer Veröffentlichung im wissenschaftlichen Journal Nature Communications sind die bitteren Geschmacksstoffe von einer Kette aus Aminosäuren ummantelt. Freigesetzt werden sie nur, wenn im Mund passende Enzyme vorhanden sind, die die Proteine abbauen können. Diese sind typischerweise im Mundraum vorhanden, wenn dort eine bakterielle Entzündung ausgebrochen ist. Bei Menschen, die keine Entzündung haben, bleibt der Geschmack des Kaugummis hingegen neutral.
Die Wissenschaftler um Studienleiterin Jennifer Ritzer haben inzwischen ein Unternehmen gegründet, das den Kaugummi auf den Markt bringen soll. In Zukunft könnten Infektionen des Mundraums, die derzeit aufgrund der mangelhaften Wahrnehmung von Zahnvorsorgeuntersuchungen oft zu spät erfolgen, vereinfacht werden. Eine Verbesserung der bereits hohen Erkennungsgenauigkeit könnte in Zukunft sogar dafür sorgen, dass Laboranalysen des Speichels ersetzt werden könnten. Gleichzeitig betonen die Wissenschaftler aber auch, dass das Produkt keine zahnärztliche Prophylaxe ersetzen kann, sondern lediglich als zusätzliche Überwachung und Vorscreening dienen soll.
Ursprünglich wurde der Kaugummi entwickelt, um die Entzündung Peri-Implantitis zu diagnostizieren. Es handelt sich dabei um eine Entzündung, die Gewebe und Knochen in der Nähe von neuen Zahnimplantaten zerstört. Laut Statistiken der Krankenkassen tritt diese Krankheit bei etwa zehn Prozent aller Patienten in den Jahren nach einer Zahnimplantation auf. Während der Entwicklung stellte sich heraus, dass der Kaugummi auch Mandelentzündungen, Scharlach, Parodontitis und andere Krankheiten erkennt. Die einzige Voraussetzung dafür, dass die Krankheit im Speichel nachweisbar ist und das Protein-auflösende Enzym produziert.
Laut den Entwicklern des Kaugummis „sind sie weltweit die Ersten, die für ein solches Produkt eine Zulassung beantragen.“ Weil der Kaugummi im menschlichen Körper eingesetzt wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Zulassungsbehörden eine Einstufung als Medizinprodukt vornehmen. Dies bedeutet, dass zur Marktreife noch klinische Studien mit menschlichen Probanden durchgeführt werden müssen. Eine Zulassung könnte laut Heinrich Jehle, dem Geschäftsführer des Unternehmens 3a-diagnostics GmbH in etwa einem Jahr erfolgen. Der Verkauf soll rezeptfrei über Apotheken stattfinden.
Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-017-00340-x