Robert Klatt
Das aus China stammendes Schweine-Coronavirus SADS-CoV hat bei Ferkeln eine Mortalitätsrate von 90 Prozent. Eine Studie zeigt nun, dass der Erreger auch menschliche Zellen infizieren kann. Es wurde deshalb als potenzielles Hochrisiko-Coronavirus eingestuft.
Chapel Hill (U.S.A.). Krankheitserreger, die sich bei Tieren entwickeln und durch Mutationen auch menschliche Zellen angreifen können, waren in der Vergangenheit für viele Grippe-Pandemien verantwortlich. Auch die Covid-19-Pandemie wurde laut dem derzeitigen Kenntnisstand der Wissenschaft durch einen zoonotischen Krankheitserreger ausgelöst. Kürzlich zeigte eine Studie des UN-Umweltprogramms (UNEP), dass Zoonosen immer häufiger auf den Menschen überspringen.
Ein Großteil dieser Krankheitserreger stammt laut der Wildlife Conservation Society aus Ostasien, wo laut einer Studie aus Vietnam ein Großteil der Ware auf Tiermärkten mit verschiedenen Coronaviren infiziert ist. Außerdem wurde kürzlich in China das vom H1N1-Virus abstammende G4-Virus in der Schweinezucht entdeckt, dass laut einer Grippestudie auch menschliche Zellen infizieren kann.
Nun haben Wissenschaftler der University of North Carolina at Chapel Hill laut einer Publikation im renommierten Magazin Proceedings of the National Academy of Sciences entdeckt, dass es neben SARS-CoV-2 möglicherweise noch ein weiteres Coronavirus gibt, das auch für Menschen gefährlich werden kann. In den letzten Jahren soll das sogenannte Swine Acute Diarrhea Syndrome Coronavirus (SADS-CoV) in China bereits für eine Reihe von Krankheitsausbrüchen unter Schweinen verantwortlich gewesen sein.
Das 2016 entdeckte Coronavirus löst schwere Brechdurchfälle, die bei Ferkeln zu einer Mortalitätsrate von 90 Prozent führen. Als wahrscheinlichste Quelle nennen Wissenschaftler auch für SADS-CoV Fledermäuse, von denen der Erreger auf Schweine übergesprungen sein könnte.
Ob zu überprüfen, ob SADS-CoV auch Menschen und andere Säugetiere infizieren kann, führte ein Team um Caitlin Edwards Experimente mit verschiedenen Zellkulturen von Menschen, Affen, Katzen und Schweinen durch. Dabei fanden sie heraus, dass praktisch alle getesteten Zellen von SADS-CoV infiziert werden können, darunter auch die menschlichen Zellen.
Die Infektion verläuft dabei laut den Wissenschaftlern über keinen der bisher bekannten Wege, wie den von SARS-CoV-2 genutzten ACE2-Rezeptor oder die von anderen Coronaviren genutzten Andockstellen. Laut Edwards „hemmen Antikörper, die diese Rezeptoren blockieren die Virenvermehrung in den menschlichen Zellen deshalb nicht.“ Folgestudien sollen nun untersuchen, auf welchem Weg das Schweine-Coronavirus SADS-CoV Zellen angreift und welche menschlichen Zellen besonders anfällig dafür sind.
Edwards konstatiert, dass „die Studienergebnisse zeigen, dass das Wirtspektrum von SADS-CoV sehr breit ist und auch den Menschen umfasst.“ Die Wissenschaftler erklären, dass „sich SADS-CoV damit als potenzielles Hochrisiko-Coronavirus manifestiert, das die globale Gesundheit und Wirtschaft beeinträchtigen könnte.“ Bisher sind aus China allerdings keine Fälle bekannt, in denen SADS-CoV von Schweinen auf einen Menschen übergesprungen sind. Potenzial macht die Fähigkeit des Erregers auch menschliche Zellen zu infizieren, diesen aber zu einer Gefahr.
Wie Edwards erklärt „ist eine kontinuierliche Überwachung von Schweinen daher entscheidend wichtig.“ Außerdem empfehlen die Wissenschaftler Beschäftigte aus der Schweinehaltung regelmäßig auf SADS-CoV-Infektionen zu untersuchen, ob eine drohende Pandemie frühzeitig erkennen und bekämpfen zu können.
Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2001046117