Robert Klatt
Ein neues 3D-Zellkultursystem kann in Zukunft viele Tierversuche überflüssig machen. Ganz ersetzen kann die Technologie, die bis zum Jahr 2025 in Serie gehen soll, Tierversuche aber nicht.
Leipzig (Deutschland). Aktuell ist es in der Medizin üblich, dass Medikamente und andere Wirkstoffe vor ihrer Zulassung mithilfe von Tierversuchen auf mögliche Nebenwirkungen und ihre Verträglichkeit untersucht werden. Um diese aus ethischen Gründen oft kritisierten Versuche zu ersetzen, stehen der Wissenschaft derzeit nur Zellkulturen zur Verfügung. Problematisch dabei ist, dass diese extrahierten Zellen nur zweidimensionalen Modelle bilden, die sich deutlich von den Zellenverbänden und Organen im Körper des Menschen unterscheiden.
Die Universität Leipzig hat aus diesem Grund unter Leitung von Dr. Peggy Stock in Kooperation mit dem Industriepartner KET Kunststoff- und Elasttechnik GmbH im Projekt „Konzeption einer 3D-Silikonstruktur für die Kultur von Säugetierzellen“ ein 3D-Zellkultursystem entwickelt, das eine Vielzahl von Tierversuchen ersetzen könnte.
Wie Stock erklärt „haben Studien gezeigt, dass Ergebnisse von 3D-Zellkultursystemen viel besser auf den menschlichen Organismus übertragbar sind.“ Nach zweijähriger Forschungsdauer hat das Projekt die sogenannte 3D-Silikon-Plott-Technologie hervorgebracht. Bei der neuen Technologie bilden Silikonfäden aus einem 3D-Drucker ein Gitter mit einer organähnlichen Struktur.
Laut Stock „arbeiten die Wissenschaftler mit einem Silikon, das sehr elastisch ist und ungefähr dem entspricht, wie wir es bei Organen im menschlichen Organismus vorfinden.“ Die Schwierigkeit der Wissenschaftlerin, die zur Arbeitsgruppe Angewandte Molekulare Hepatologie unter der Leitung von Prof. Dr. Bruno Christ gehört, lag darin ein Silikon zu finden das sich gut für die Nachbildung von Zellstrukturen und den 3D-Druck eignet.
Anschließend testeten die Forscher mit menschlichen Stammzellen aus dem Fettgewebe, ob das 3D-Zellkultursystem gegenüber bisher genutzten 2D-Zellkulturen Vorteile bietet. Dazu wurden die Stammzellen in das Silikongitter verpflanzt und dann unter optimalen Bedingungen in einem Brutschrank kultiviert. Dabei wurde durch die Anordnung der Stammzellen auf dem 3D-Gitter erreicht, dass diese sich wie Zellen im menschlichen Körper verhalten.
Wie Stock erklärt „zeigte sich dabei, dass die Zellen das 3D-Gitter besiedeln und dabei selbst dreidimensionale Zellstrukturen bilden.“ Die natürlichen Eigenschaften der Zellen wie beispielsweise die Kommunikation untereinander bleibt so erhalten. Außerdem zeigten die aus den Stammzellen entstandenen Leberzellen im 3D-Gitter eine deutlich bessere Funktion, als die Zellen der 2D-Kultur.
Trotz der guten Ergebnisse können laut Stock „Tierversuche nicht gänzlich abgeschafft werden.“ Das neue Silikongitter hat aber eine Möglichkeit geschaffen, die Vorhersagen über die Machbarkeit von Neuentwicklungen im Bereich der Medizin und Arzneimittel erlaubt, in breiter Anwendung einsetzbar ist und so zur Verminderung von Tierversuchen beitragen kann.
Die Seriennutzung des 3D-Gitters in der Forschung ist laut den Förderrichtlinien des Projekts bis zum Jahr 2025 vorgesehen.