Robert Klatt
In Tabakpflanzen lassen sich IgG3-Antikörper züchten. Diese neutralisieren SARS-CoV-2 50-fach besser als IgG1-Antikörper.
Wien (Österreich). Monoklonale Antikörper (mAk) wurden in der Medizin bisher hauptsächlich zur Behandlung von Tumorerkrankungen verwendet. Prinzipiell eignen sich diese Antikörper auch bei Viruserkrankungen wie Covid-19 zur Zerstörung des Erregers und zur Milderung des Krankheitsverlaufes. Bisher spielen mAk im klinischen Alltag bei Viruserkrankungen aber noch keine Rolle, weil die Forschung bisher noch keine Methode gefunden hat, mit der sich die kleinen, jeweils an ihr Ziel angepassten Antikörper in einem größeren Umfang produzieren lassen.
Wissenschaftler der Universität für Bodenkultur (Boku) vom Institut für Pflanzenbiotechnologie und Zellbiologie haben im Fachmagazin PNAS nun eine Möglichkeit zur Herstellung der Antikörper vorgestellt. Das Team um Herta Steinkellner hat dazu Gene von Antikörpern, die Menschen entnommen wurden, mithilfe von Bakterien in eine Tabakpflanze (Nicotiana benthamiana) eingesetzt. „Um sie dort hineinzubringen verwenden wir ein Bakterium als eine Art Taxi“, erklärt Steinkellner.
Anschließend kann die Tabakpflanze vorübergehend die Antikörper produzieren. Möglich ist dies, weil die menschlichen Zellen und die Zellen der Pflanze sich auf molekularbiologischer Ebene sehr ähnlich sind. Die Wissenschaftler konnten so IgG-Antikörper erzeugen, die mit Covid-19 infizierte Menschen normalerweise erst im späten Krankheitsverlauf bilden.
Vier IgG-Antikörper-Subtypen
IgG-Antikörper lassen sich in die vier Subtypen IgG1, IgG2, IgG3 und IgG4 unterteilen. Bei einer natürlichen Reaktion des Immunsystems haben IgG1-Antikörper in der Regel einen Anteil von 90 Prozent. Die Wissenschaft hat sich deshalb bisher vor allem auf diesen Subtypen konzentriert.
Laut Steinkellner ist es bei Covid-19-Infektionen aber so, dass „sonst nur in minimalen Mengen vorkommende Subtypen von den IgGs dann auch in die Höhe schnellen“. Relevant sind hier besonders IgG3 und IgG4. Welchen Grund diese untypische Reaktion des Immunsystems hat, ist bisher unklar. „Es hat aber irgendeine spezifische Funktion während der SARS-Infektion“, so Steinkellner.
Leider ist die Produktion der IgG3-Antikörper weiterhin problematisch. Laut der Studie brauchten die Wissenschaftler nur für IgG3 alleine etwa dieselbe Zeit wie für alle drei andere Subtypen zusammen. „Wir waren jetzt weltweit die ersten, die sich die Mühe gemacht haben, einen Antikörper in all seinen Subtypen herzustellen“, erklärt Steinkellner-
In mit dem SARS-CoV-2-Wildtyp infizierten Zellkulturen neutralisierten die IgG3-Antikörper den Virus 50-fach besser als IgG1-Antikörper. „Das macht dieses Molekül jetzt so richtig interessant, um hier noch mehr Zeit zu investieren“, erklärt Steinkellner. Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler daher versuchen, den noch sehr sensiblen IgG3-Antikörper zu stabilisieren.
PNAS, doi: 10.1073/pnas.2107249118