Robert Klatt
Herzinsuffizienz reduziert die Pumpkraft des Herzens stark und führt zu Atemnot, geringerer Leistungsfähigkeit und anderen Gesundheitsproblemen. Ein neues Pflaster, das aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) gezüchtet wird, kann die Pumpleistung deutlich verbessern.
Göttingen (U.S.A.). In Deutschland leiden etwa zwei Millionen Menschen unter einer Herzinsuffizienz, bei der die Pumpkraft des Herzens allmählich abnimmt. Es kommt dadurch zu Gesundheitsproblemen wie einer geringeren Leistungsfähigkeit, Luftnot, Bluthochdruck, Herzmuskelentzündungen und anderen Krankheiten. Die Medizin behandelt Herzschwäche aktuell mit Medikamenten und empfielht Patienten regelmäßige Bewegung und eine gesunde Ernährung.
Wissenschaftler der Georg-August-Universität Göttingen haben nun ein Stammzellenplaster entwickelt, das Menschen mit schwerer Herzschwäche helfen kann. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature besteht das Pflaster aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS), also Zellen, die in das Stammzellstadium überführt und dann in entsprechende Körperzellen entwickelt wurden.
Das Herzpflaster besteht aus Herzmuskelzellen und Bindegewebszellen. Es wird in etwa drei Monaten aus iPS-Zellen produziert und kann direkt auf den geschwächten Herzmuskel aufgebracht werden, um dessen Pumpleistung zu erhöhen. In Experimenten mit Ratten und Rhesusaffen über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten hat das Implantat aus 40 bis 200 Millionen Herzzellen die Herzfunktion deutlich verbessert.
„Wir konnten im Tiermodell zeigen, dass die Implantation von 'Herzpflastern' zum dauerhaften Aufbau des Herzmuskels bei Herzinsuffizienz geeignet ist.“
Anschließend haben die Forscher einen klinischen Versuch mit einer 46 Jahre alten Patientin mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz, Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes durchgeführt. Der Frau wurde im Sommer 2021 ein Pflaster aus rund 400 Millionen Herzzellen implantiert. Im Oktober 2021 hat die Frau eine Herztransplantation erhalten.
Die Forscher konnten das entnommene Herz mit dem Stammzellenpflaster daraufhin genau analysieren. Die Pumpleistung der Herzkammer, die das Implantat erhalten hat, ist von 35 auf 39 Prozent gestiegen. Bei gesunden Menschen liegt sie bei rund 60 Prozent. Laut den Wissenschaftlern belegen diese Ergebnisse, dass der Herzmuskelwiederaufbau beim Menschen prinzipiell funktioniert. Um die gewünschte Pumpleistung zu erhalten, sind aber statt 400 Millionen Herzzellen 800 Millionen Herzzellen nötig.
Aufgrund der positiven Ergebnisse wurde die klinische Studie vergrößert und 15 weitere Menschen haben das Implantat erhalten. Die Ergebnisse sollen bis 2025 vorliegen. Wie die Wissenschaftler erklären, sollte das Implantat ursprünglich lediglich eine Überbrückungslösung sein, die den Patienten hilft, bis ein Herztransplantat verfügbar ist.
Wenn die Ergebnisse der klinischen Studie entsprechend gut ausfallen, könnte das Stammzellenpflaster aber auch eine permanente Lösung sein. Nebenwirkungen oder ein erhöhtes Tumorrisiko, die dies ausschließend würden, wurden bisher nicht entdeckt. Weil die zur Produktion der iPS-Zellen verwendeten Körperzellen nicht vom Patienten direkt stammen, müssen diese jedoch lebenslang Immunsuppressiva einnehmen, um eine Abstoßung zu verhindern.
Nature, doi: 10.1038/s41586-024-08463-0