Robert Klatt
Ein nicht obstruktiver Meniskusriss kann mit physiotherapeutischen Übungen so gut behandelt werden wie mit einer Operation. Probleme, wie eine Infektion am Kniegelenk, treten nach einer Physiotherapie zudem deutlich seltener auf.
Amsterdam (Niederlande). In Deutschland werden viele Patienten, bei denen per Magnetresonanztomografie (MRT) ein nicht obstruktiver Meniskusriss diagnostiziert wurde, operiert. Wie Experten der Physiotherapie Bochum erklären, kann die Knieverletzung alternativ auch mit nichtinvasiven, physiotherapeutischen Übungen behandelt werden. Mediziner des Onze Lieve Vrouwe Gasthuis (OLVG) Amsterdam haben nun im Rahmen einer randomisierten Studie mit 321 Patienten aus neun niederländischen Kliniken die beiden Behandlungsmethoden miteinander verglichen.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin JAMA wurden zwischen Juli 2015 und November 2017 162 Patienten einem physiotherapeutischen Bewegungsprogramm und 159 Patienten einer operativen Entfernung (arthroskopische Teilresektion) zugelost. Nach ihrer Operation erhielten die Probanden lediglich Anleitungen für häusliche Übungen, die sie allein durchführen sollten. Die nicht operierten Probanden erhielten hingegen ein strukturiertes Bewegungsprogramm unter Anleitung eines ausgebildeten Physiotherapeuten, das aus 16 jeweils halbstündigen Sitzungen bestand.
Die Probanden waren zu Studienbeginn zwischen 45 und 70 Jahre alt, hatten laut der Kellgren-Lawrence-Klassifikation maximal eine mittelgradige Arthrose (Grad 3) und wurden am betroffenen Knie zuvor noch nicht operiert. Laut ihrer MRT-Untersuchung lag bei ihnen ein nicht dislozierter Meniskusriss ohne Blockaden vor. Ob es sich um einen traumatischen oder degenerativen Meniskusriss handelte, wurde nicht unterschieden, weil laut den Autoren vordergründig bei älteren Patienten nur schwer zwischen altersbedingten Schäden und Verletzungen nach Bagatelltraumata differenziert werden kann. Die Nachbeobachtungszeit der Studie war mit zwei Jahren verhältnismäßig lang.
Die Wissenschaftler um Dr. Victor A. van de Graaf wählten als primären Studienendpunkt die Verbesserung der Kniefunktion, die sie über den Score des International Knee Documentation Committee (IKCD) erfassten. Bei den operierten Probanden verbesserte sich der Score in zwei Jahren um 26,2 Punkte (von 44,8 auf 71,5), in der Physiotherapiegruppe um 20,4 Punkte (von 46,5 auf 67,7). Die Differenz von 3,6 Punkten zwischen den Gruppen ist für das Kriterium der „Nichtunterlegenheit“ in der Mixed-Model-Analyse laut Definition erfüllt. Der Schwellenwert für die Nichtunterlegenheit lag bei acht Punkten.
Zudem bestimmten die Wissenschaftler mit der Tegner Activity Scale das Aktivitätsniveau der beiden Gruppen. Dieses verbesserte sich auf der 10-Punkte-Skala bei Patienten aus der Physiotherapiegruppe von 2,5 auf 3,0 Punkte und bei Patienten aus der Arthroskopiegruppe von 2,6 auf 2,9 Punkte. Laut den Autoren sind diese Veränderungen klinisch kaum relevant.
Anhand der visuellen Analogskala (VAS-Skala) konnte jedoch dokumentiert werden, dass die Knieschmerzen bei Belastung bei der Arthroskopiegruppe (61,1 mm auf 19,6 mm) stärker abnahmen als in der Physiotherapiegruppe (59,3 mm auf 25,5). In beiden Gruppen stieg der Arthroseschweregrad auf der Kellgren-Lawrence-Skala leicht von 1,3 Punkte auf 1,5 beziehungsweise 1,6 Punkte.
Laut den Studiendaten sollte bei der Wahl der Behandlungsmethode insbesondere das Körpergewicht des Patienten beachtet werden. Adipöse Menschen profitieren demnach stärker vom arthroskopischen Eingriff. Im Mittel konnten sie zwei Jahre nach der Operation auf der IKDC-Skala 10,7 Punkte mehr erzielen als bei den nicht operierten adipösen Patienten. Bei den anderen Gewichtsklassen lagen diese deutlichen Unterschiede nicht vor.
Weitere ernste Gesundheitsprobleme wie venöse Thromboembolien traten in beiden Gruppen fast gleich häufig auf. Zudem kann es bei neun Patienten aus der Arthroskopiegruppe zu kleineren Problemen wie einer Infektion am Kniegelenk oder einer reaktiven Arthritis. In der Physiotherapiegruppe war dies nur bei vier Probanden der Fall.
JAMA, doi: 10.1001/jama.2018.13308