Robert Klatt
Deutsche Wissenschaftler haben einen Covid-19-Impfstoff zum Inhalieren entwickelt. In einer klinischen Studie soll nun die Wirksamkeit und Sicherheit geprüft werden. Probanden können sich aktuell noch bewerben.
Hannover (Deutschland). Manche Menschen haben sich bisher nicht gegen Covid-19 impfen lassen, weil sie eine panische Angst vor Spritzen haben. Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) deshalb einen Impfstoff entwickelt, der nicht gespritzt, sondern inhaliert wird. Der Wirkstoff des Vakzins soll so direkt in die Lunge gelangen, also an den Ort im Körper des Menschen, wo SARS-CoV-2 die größten Schäden verursacht.
Eine klinische Studie der Early Clinical Trial Unit (ECTU) soll nun untersuchen, ob das Vakzin tatsächlich die Bildung von Antikörperm gegen das Coronavirus auslöst und ob der Impfstoff sicher ist. Versuche mit Hamstern verliefen bereits erfolgreich.
Gesunde, zweifach gegen das SARS-CoV-2-Virus geimpfte Frauen und Männer von 18 bis 60 Jahren können sich derzeit als Probanden für die Studie bewerben. Neben einer gründlichen medizinischen Untersuchung erhalten die Studienteilnehmer auch eine Aufwandsentschädigung von bis zu 1.500 Euro.
Die Verabreichung des Impfstoffs geschieht über ein Gerät, das die Flüssigkeit vernebelt. Die Probanden atmen über ein Mundstück dann feine Aerosole ein, die die Wirkstoffe beinhalten. Weil diese direkt in die Lunge gelangen, erhoffen sich die Wissenschaftler dort einen erhöhten Impfschutz. Versuche mit Hamstern verliefen bereits erfolgreich.
„Wir wollen die Immunantwort des Körpers auf den Erreger in dem Organ auslösen, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Wir denken, dass die Immunreaktion dort am besten schützt“, erklärt Professor Reinhold Förster gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ).
Covid-19 befällt in den frühen Stadien des Krankheitsverlaufs primär die oberen Atemwege. Schwere Verläufe betreffen hauptsächlich die Lunge. Der inhalierbare Impfstoff soll deshalb auch in den Bronchien und im Nasen-Rachen-Raum die Bildung von Gedächtniszellen auslösen. Wie Förster erklärt, „setzen sie sich dort fest und bleiben auch dort“.
Bei einer Infektion über die Atemwege könnte die Abwehr des Immunsystems somit schneller aktiv werden. Außerdem soll die Impfung die Übertragbarkeit des Virus signifikant verringern, weil der Körper bereits im Atemtrakt mit der Abwehr beginnen kann.
Laut offiziellen Angaben der beteiligten Institutionen nutzt der inhalierbare Impfstoff keine mRNA. Stattdessen setzten die Entwickler auf einen Vektorimpfstoff, der auf genetisch stillgelegten Pockenviren basiert.
Wissenschaftler der McMasters-Universität in Kanada arbeiten laut einer Publikation im Fachmagazin Cell ebenfalls an einem Covid-19-Impfstoff zum Inhalieren. Der flüssige Impfstoff von ihnen wird durch Düsenvernebler verabreicht, der ebenfalls kleine Aerosole erzeugt. Versuche mit Mäusen konnten bereits erfolgreich abgeschlossen werden. Derzeit wird eine erste klinische Studie mit Menschen durchgeführt, die zuvor bereits zweimal mit mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19 geimpft waren.
Die Forscher erklären, dass die inhalative Methode gegenüber herkömmlichen Impfungen deutliche Vorteile bietet. Die Schutzwirkung soll etwa bereits mit einer deutlich kleineren Dosis erreicht werden. Überdies gelangt der Impfstoff unmittelbar in die besonders bedrohte Lunge.
„Wir haben herausgefunden, dass der in die Lunge verabreichte Impfstoff eine schützende Immunität der Atemwegsschleimhäute hervorruft, eine Eigenschaft, die dem injizierten Impfstoff fehlt“, erklärt Zhou Xing. Dies soll laut ihm neben neutralisierenden Antikörpern und der T-Zellen-Immunität noch eine weitere Form der Immunität auslösen, die vor SARS-CoV-2 und anderen Lungenerregern schützt.
Cell, doi: 10.1016/j.cell.2022.02.005