Robert Klatt
Ein radioaktives Implantat aus elastinähnlichen Polypeptiden (ELPs) kann direkt in Pankreastumoren Strahlung freisetzen und dadurch das Tumorwachstum stark hemmen. Der neue Behandlungsansatz könnte auch bei anderen Krebsarten besser als eine herkömmliche externe Strahlentherapie wirken.
Durham (U.S.A.). Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskrebs) lässt sich nur schwer behandeln und ist deshalb eine der häufigsten krebsbedingten Todesursachen. Aktuell besteht die Standardbehandlung aus einer Chemotherapie, die die Zellen des Pankreastumors in einem Zustand hält, in dem sie für Strahlung anfällig sind und einer Strahlentherapie. Es ist dabei aber problematisch, den Tumor ausreichend stark zu bestrahlen, ohne schwere Nebenwirkungen auszulösen.
Wissenschaftler der Duke University haben im Fachmagazin Nature Biomedical Engineering nun einen neuen Behandlungsansatz präsentiert, bei dem ein radioaktives Implantat direkt in den Tumor implantiert wird. Die Strahlung muss somit kein gesundes Gewebe durchdringen, um die Tumorzellen erreichen.
Ähnliche Ansätze der Medizin scheiterten bisher, weil das radioaktive Material in Titan eingeschlossen wurde, damit es sich nicht im Körper des Patienten verbreiten kann. Titan ist jedoch durchlässig für Gammastrahlung, die Gewebe weit außerhalb des Tumors erreichen und schädigen kann. Entsprechende radioaktive Implantate aus Titan konnten deshalb nur kurz im Körper verbleiben.
Die Wissenschaftler um Jeffrey Schaal nutzten als Basis für ihr Implantat statt Titan deshalb elastinähnliche Polypeptide (ELPs), also synthetische Ketten von Aminosäuren. Diese sind bei Raumtemperatur flüssig, verbinden sich aber durch die Wärme des Körpers zu einem stabilen Gel.
Das Gel kombinierten die Forscher mit dem radioaktiven Isotop Iod-131, das schon lange im klinischen Alltag verwendet wird. Iod-131 sendet Betastrahlung aus, die durch das Gel den Tumor trifft. Dieser absorbiert die Strahlung nahezu komplett. Nebenwirkungen am umliegenden Gewebe sind deshalb nur minimal vorhanden. Zudem sorgt das Gel dafür, dass das radioaktive Iod nicht durch den Körper wandert. Mit der Zeit lösen sich die Aminosäuren des Gels im Körper auf und werden abgebaut. Zu diesem Zeitpunkt ist das radioaktive Material jedoch schon zerfallen.
„Die Betastrahlung verbessert auch die Stabilität des ELP-Biogels. Das hilft dem Depot, länger zu halten und sich erst dann abzubauen, wenn die Strahlung verbraucht ist.“
Die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode untersuchten die Forscher mit Mäusen, denen Tumor mit den für Bauchspeicheldrüsenkrebs typischen Mutationen unter die Haut verpflanzt wurden. Bei einigen der Versuchstiere wurden zudem Tumore direkt in der Bauchspeicheldrüse erzeugt. Anschließend wurden die Tiere in Gruppen unterteilt, die entweder eine Kombination aus dem neuen Implantat und dem Chemotherapeutikum Paclitaxel, nur das Implantat, nur die Chemotherapie oder keine Behandlung erhielten.
„Die Chemotherapie allein zeigte einen minimalen Effekt. Nur eine von sechs Mäusen sprach teilweise darauf an“.
Die unbehandelten Mäuse überlebten im Mittel 21,5 Tage, die Mäuse aus der Chemotherapie-Gruppe 25 Tage.
Das radioaktive Implantat allein erhöhte die durchschnittliche Überlebenszeit auf 38 Tage und reduzierte das Tumorwachstum. Am besten funktionierte die Kombination aus einer Chemotherapie und dem neuen Implantat. Die Überlebenszeit lag bei dieser Behandlung im Durchschnitt bei 100,5 Tagen.
„Bei allen so behandelten Mäusen beobachteten wir einen signifikanten Rückgang des Tumors, bei fünf von sechs Tieren bildete sich der Tumor sogar vollständig zurück.“
„Wir denken, dass die konstante Bestrahlung es den Medikamenten ermöglicht, stärker mit den Auswirkungen der Bestrahlung zu interagieren, als dies bei der externen Strahlentherapie möglich ist. Das lässt uns vermuten, dass dieser Ansatz auch bei vielen anderen Krebsarten besser funktionieren könnte als die externe Strahlentherapie.“
Außer den üblichen Nebenwirkungen der Chemotherapie konnten bei den Tierversuchen keine weiteren Nebenwirkungen durch das radioaktive Implantat beobachtet werden.
Eine weitere Studie mit Tieren soll nun untersuchen, ob und wie die Methode mit herkömmlichen klinischen Instrumenten und Techniken verwendet werden kann. Sollte auch dieser Schritt erfolgreich verlaufen, können erste klinische Studien am Menschen erfolgen.
Nature Biomedical Engineering, doi: 10.1038/s41551-022-00949-4