Krebsrisiko analysiert

Radioaktivität - Niedrigdosis-Strahlung ist gefährlicher als gedacht

Robert Klatt

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Niedrige Strahlendosen über einen längeren Zeitraum, etwa bei Mitarbeitern in Kernkraftwerken, erhöhen das Krebsrisiko deutlich stärker, als bisher angenommen wurde. Die Strahlenschutzvorschriften müssten deshalb angepasst werden.

Irvine (U.S.A.). Dass durch ionisierende Strahlung, die in der Allgemeinbevölkerung auch als Atomstrahlung bezeichnet wird, verursachte Krebsrisikos wurde bisher primär durch Studien bestimmt, die als Datenbasis die Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Japan am Ende des Zweiten Weltkriegs nutzten. Noch heute dienen diese Studien als Basis für Strahlenschutzvorschriften, obwohl Mitarbeiter in Kernkraftwerken, im Gesundheitswesen und in anderen Bereichen deutlich länger einer deutlich niedrigeren Strahlendosen ausgesetzt sind.

Daten der International Nuclear Workers Study (INWORKS) lieferten Hinweise darauf, dass die Risikobewertungen bei einer lang anhaltenden, niedrigen Strahlendosis am Arbeitsplatz deutlich anders erfolgen muss als die extrem hohen Strahlendosen der Überlebenden der Atombomben.

Todesfälle aus der Kernindustrie analysiert

Forscher der University of California, Irvine (UCI) haben deshalb Todesfälle von 309.932 Mitarbeitern der Kernindustrie in Großbritannien, Frankreich und den U.S.A. analysiert. Laut der Publikation im Fachmagazin BMJ konnten die Autoren auf die Überwachungsdaten zur Belastung mit ionisierender Strahlung der Menschen zugreifen. Von 1944 bis 2016 starben 103.553 dieser Arbeiter, davon 28.089 durch Krebs.

Anhand dieser Daten ermittelten die Forscher, ob und wie stark Strahlenexposition das Krebsrisiko erhöht. Jede Einheit der absorbierten Strahlung erhöht demnach das Krebsrisiko um 52 Prozent. Bezieht man ausschließlich Arbeiter mit den niedrigsten kumulativen Strahlendosen ein, verdoppelt sich das Krebsrisiko pro Einheit der absorbierten Strahlung.

Deutlich höheres Krebssterberisiko

Die Studie zeigt somit, dass eine längere Exposition gegenüber niedrigen Dosen ionisierender Strahlung das Krebsrisiko deutlich stärker erhöht als bisher angenommen. Die Erkenntnisse sind laut den Autoren wichtig, um neue Strahlenschutzvorschriften am Arbeitsplatz zu entwickeln. Laut den Autoren hat die Studie aber einige Einschränkungen, darunter die unzureichenden Daten zur Strahlungsexpositionen in den frühen Jahren der Kernindustrie.

„Viele Menschen gehen davon aus, dass Expositionen mit niedrigen Dosisraten weniger krebserzeugendes Risiko bergen als die hohen Dosisraten, denen die Überlebenden der japanischen Atombomben ausgesetzt waren. Unsere Studie findet keinen Beleg für ein reduziertes Risiko pro Einheit Dosis bei festen Krebsarten bei Arbeitnehmern, die typischerweise Strahlung bei niedrigen Dosisraten ausgesetzt sind.“

BMJ, doi: 10.1136/bmj-2022-074520

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