Robert Klatt
In Deutschland befürwortet die Mehrheit der Bevölkerung die Einführung einer Covid-19-Impfpflicht. Laut einem Gutachten des Bundestags sind die rechtlichen Hürden dafür aber hoch.
Berlin (Deutschland). In den letzten Wochen haben verschiedene Organisationen, unter anderem die Kassenärztliche Vereinigung Berlin und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ) eine generelle Covid-19-Impfpflicht für Erwachsene in Deutschland gefordert. Auch eine knappe Mehrheit (53 %) der Bevölkerung befürwortet dies laut dem RTL/ntv-Trendbarometer.
Wie ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zeigt, müsste eine Impfpflicht zur Eindämmung der Infektionszahlen jedoch unterschiedliche juristische Probleme vermeiden, um verfassungsrechtlich Bestand haben zu können. Hinzukommt, dass das Gesetz aufgrund des dynamischen Pandemiegeschehens und der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse regelmäßig angepasst werden müsste.
Laut den Gutachten, die dem Online-Magazin Telepolis exklusiv vorliegen, müssten Genese von einer Impfpflicht ausgenommen werden, weil sie zu den Gruppen gehören, „bei denen bereits ein ausreichender Immunstatus besteht“. Eine Impfpflicht während der Dauer der natürlichen Immunisierung wäre somit rechtlich nicht möglich. Bisher konnte die Medizin jedoch nicht klären, wie lange nach einer Infektion die Immunisierung tatsächlich besteht.
Außerdem müsste eine Impfpflicht, die es in Deutschland bisher nur gegen das Masern-Virus gab, weitere Faktoren berücksichtigen. Wichtig sind vor allem das aktuelle Infektionsgeschehen, die eventuellen Nebenwirkungen und Langzeitfolgen und die freiwillige Impfbereitschaft der Bevölkerung.
In dem Gutachten heißt es dazu, dass Ungeimpfte zwar unstrittig „bei der Epidemiologie der Erkrankung weiterhin eine wesentliche Rolle“ spielen. Ob eine Impfpflicht eingeführt werden kann, hängt aber vor allem von der Verhältnismäßigkeit zwischen der Intensität des Grundrechtseingriffs und dem erhofften Nutzen für die Gesamtbevölkerung ab.
Ein legitimer Grund für die Einführung einer generellen Impfpflicht ist laut dem Gutachten unter anderem der Schutz des Gesundheitssystems. Es könnte so sichergestellt werden, dass weiterhin schwer erkrankten Menschen behandelt werden und nicht die dafür nötigen Betten in den Intensivstationen durch Covid-19-Patienten blockiert werden.
Auch der Schutz von Senioren und pflegebedürftigen Menschen sowie von Kleinkindern und Schülern ist laut dem Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ein legitimer Grund für eine Impfpflicht. Allein zum Schutz von Geimpften, also etwa Pflegekräften und Lehrern, könnte eine Impfpflicht in der Bundesrepublik aber nicht eingeführt werden.