Perflunafen

Rektalbeatmung gegen Covid-19

Robert Klatt

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Covid-19-Patienten und andere Personen mit Atemversagen könnten in Zukunft auch rektal beatmet werden.

Tokyo (Japan). In der Biologie ist es schon seit Längerem bekannt, dass einige Tiere wie Seegurken und der Ostasiatische Schlammpeitzger mit dem Darm atmen können. Auch Säugetiere wie der Mensch können prinzipiell über den Mastdarm Sauerstoff aufnehmen. Es war bisher aber noch unbekannt, wie viel Sauerstoff Säugetiere über ihren Darm aufnehmen können.

Wissenschaftler um Takanori Takebe von der Medizinuniversität Tokyo haben deshalb anhand einer Studie ermittelt, wie gut die Rektalatmung tatsächlich funktioniert. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Med führten die Forscher dazu Tierversuche mit Mäusen durch, die in einer Umgebung mit extrem geringer Sauerstoffsättigung positioniert wurden. Keines der Tiere überlebte dies für mehr als elf Minuten.

Rektalbeatmung erhöht Überlebenszeit

Der Kontrollgruppe wurde vor dem Experiment die prinzipiell schützende Darmschleimhaut abgeschürft. Während des Aufenthalts in der Umgebung mit der normalerweise tödlichen Sauerstoffsättigung wurden die Tiere über ein speziell entwickeltes rektales Beatmungssystem mit Sauerstoff versorgt. Drei Viertel der Tiere könnten so für 50 Minuten überleben. Das Experiment belegt somit, dass auch Säugetiere eine nicht insignifikante Menge an Sauerstoff über den Darm aufnehmen können.

Flüssige Sauerstoffzufuhr

Weil die Entfernung der schützenden Darmschleimhaut im klinischen Einsatz nicht sinnvoll ist, entwickelten die Forscher anschließend ein zweites System zur flüssigen Sauerstoffzufuhr. Dazu nutzten die Forscher die chemische Substanz Perflunafen, die sehr gut Sauerstoff löst. In der Medizin wurde die Substanz bereits als Blutersatzmittel genutzt. Ihre Sicherheit beim Menschen ist demnach bereits hinreichend untersucht.

In einer neuen Versuchsreihe wurde Mäusen in einer Umgebung mit niedriger, aber nicht tödlicher Sauerstoffsättigung eine Perflunafen-Sauerstoff-Mischung in den Darm injiziert. Im Gegensatz zu Mäusen, die diese Substanz nicht erhielten, bewegten sich die Mäuse deutlich mehr und ihre Herzen waren besser mit Sauerstoff versorgt.

Auch bei Schweinen wurden ähnliche Ergebnisse erzielt. Bei den Tieren beobachteten die Wissenschaftler durch die rektal verfügbaren Sauerstoff eine gesündere Hautfarbe und mehr Sauerstoff im Blut. Zu Nebenwirkungen kam es in den Versuchen nicht. Es ist somit am Beispiel von zwei Säugetieren belegt, dass die rektale Sauerstoffzufuhr Atemversagen abmildern kann.

Rektalbeatmung beim Menschen

„Die Pandemie hat den Bedarf an Beatmungsgeräten und künstlichen Lungen gezeigt. Der Mangel daran hat Patientinnen und Patienten weltweit gefährdet. Wenn man den Grad der Sauerstoffversorgung unserer Technik auf Menschen umrechnet, ist er vermutlich hoch genug, um Patienten mit schwerer Atemnot zu behandeln“, erklärt Takebe. Die Wissenschaftler möchten deshalb im Zuge der Covid-19-Pandemie schnell klinische Studien mit Menschen durchführen.

Bis eine Rektalbeatmung beim Menschen möglich ist, muss laut einem Gastkommentar der Gastroenterologe Caleb Kelly von der Yale University aber noch untersucht werden, wie sich die plötzliche Sauerstoffzufuhr auf Mikroorganismen im Darm auswirkt. Außerdem ist es laut der Medizinerin problematisch die Studienergebnisse auf Menschen zu übertragen, die aufgrund von Covid-19 unter Entzündungsprozessen aller Art leiden. Grundsätzlich ist Kelly aber der Ansicht, dass die Methode prinzipiell auch bei der Behandlung von Menschen relevant werden könnte.

Med, doi: 10.1016/j.medj.2021.04.004

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