Robert Klatt
Ein russischer Wissenschaftler will trotz der inzwischen nachgewiesenen Gesundheitsrisiken noch im laufenden Jahr bei Embryonen mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 Experimente durchführen. Bisher fehlen im dazu allerdings noch die behördlichen Genehmigungen.
Moskau (Russland). Der chinesische Wissenschaftler He Jiankui hat im vergangenen Jahr einen Skandal ausgelöst, als er bekanntgab, dass zwei Babys geboren wurden, die von ihm mithilfe des CRISPR-Verfahrens genetisch manipuliert wurden. Laut Jiankui sind die Babys durch die Veränderung des Erbguts zwar gegen HIV immun, eine kürzlich veröffentlichte Studie kam aber zu dem Ergebnis, dass die Lebenserwartung im Vergleich zu normalen Menschen deutlich geringer ist, da das Infektionsrisiko für eine Reihe anderer Krankheiten durch den Eingriff erhöht wurde. Da Jiankui das erste Experiment dieser Art ohne die Genehmigung der Behörden durchgeführt hat, wurde er inzwischen von seiner Universität entlassen.
Nun hat der russischen Wissenschaftler Denis Rebrikow angekündigt die umstrittenen Experimente fortzusetzen, wenn er dafür die Genehmigung der lokalen Behörden erhält. Laut einem Artikel im Fachmagazin Nature möchte Rebrikow vom Nationalen Medizinischen Forschungszentrum für Geburtshilfe, Gynäkologie und Perinatalmedizin in Moskau bereits HIV-positiven Frauen Embryonen einsetzen, die zuvor mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 gegen den Virus immun gemacht wurden. Sollte die Genehmigung erteilt werden, möchte Rebrikow das Experiment noch im laufenden Jahr starten.
Laut Rebrikow hat er die Methode des chinesischen Wissenschaftlers leicht abgewandelt. Auch er möchte jedoch das Gen CCR5 funktionsunfähig machen, da ein von diesem Gen hergestelltes Protein als Haupteintrittsquelle von HIV in die Zellen der betroffenen Menschen gilt. Ob die abgewandelte Methode die niedrigere Lebenserwartung durch die Veränderung des Erbguts, die im Falle des chinesischen Wissenschaftlers aufgetreten ist, verhindert kann ist noch offen.
Rebrikow selbst spricht von einer „ethisch vertretbaren und für die Öffentlichkeit akzeptablen“ Methode. Außerdem gibt er an, dass bereits mit mehreren HIV-Zentren in Moskau eine Kooperation besteht, die es ihm ermöglicht mit Frauen, die dort behandelt werden in Kontakt zu treten. In Zukunft soll der CRISPR-Keimbahneingriff Kinder von Frauen, bei denen eine herkömmliche HIV-Therapie versagt und die daher ein höheres Infektionsrisiko haben vor dem Virus schützen.
Jennifer Doudna, eine der Mitentwicklerin der CRISPR-Methode spricht sich derzeit noch gegen den klinischen Einsatz ihrer Entdeckung aus, da die „Technologie noch nicht so weit ist.“ Gleichzeitig gibt sie zu, dass „der Einsatz aber nicht überraschend ist.“ Auch die russischen Russische Akademie der Wissenschaften äußerte Bedenken gegen das geplante Forschungsprojekt. Ob die noch nötige Genehmigung erteilt wird steht also noch nicht fest.