Robert Klatt
Ein zu hoher Salzkonsum sorgt für eine erhöhte Aktivität der Nieren, die als Nebenwirkung das Immunsystem signifikant schwächt. Bei Tierversuchen sorgte eine salzhaltige Ernährung für eine 100- bis 1.000-fach höhere Keimbelastung im Körper.
Bonn (Deutschland). Wissenschaftliche Studien haben bereits belegt, dass ein zu hoher Salzkonsum Ablagerungen im Gehirn verursacht, die sehr wahrscheinlich zu Alzheimer führen und dass eine zu salzhaltige Ernährung Gesundheitsschäden auslöst, die jährlich für Millionen Todesfälle verantwortlich sind. Trotz dieser und anderer Risiken, die auf einen zu hohen Salzkonsum zurückgehen, können viele Menschen salzhaltigen Snacks wie Pommes und Chips kaum widerstehen und nehmen so durch ihre Ernährung wesentlich mehr des Mineralstoffs Natriumchlorid auf, als dem Körper eigentlich von außen zugeführt werden müsste.
Die Technische Universität München hat außerdem laut einer Publikation im Fachmagazin Science Translational Medicine bereits 2019 belegt, dass Salz die Aktivität bestimmter Immunzellen beeinflusst und so die Entstehung von Allergien begünstigt. Andere Studien zeigten hingegen, dass Salz bei einigen Hautparasiten den Heilungsprozess deutlich beschleunigen kann. Die Wirkung auf das Immunsystem ist aus diesem Grund in der Medizin umstritten.
Eine Studie der Universität Bonn bestätigt nun erneut, dass zu viel Salz sich negativ auf das Immunsystem des Menschen auswirkt. Katarzyna Jobin, Erstautorin der im Fachmagazin Science Translational Medicine publizierten Forschungsarbeit erklärt, dass „der Effekt von Salz auf das körpereigene Abwehrsystem kontrovers diskutiert wird und dass es ist noch immer unklar ist, wie sich hohe Natriumchloridwerte auf die unterschiedlichen Populationen von Immunzellen auswirken.“
Die Wissenschaftler des Universitätsklinikums Bonn haben deshalb untersucht, welche Effekte eine salzhaltige Ernährung auf den Verlauf verschiedener bakterieller Infektionen hat. Dazu fütterten sie Labormäuse für eine Woche mit sehr salzhaltigen Lebensmittel und infizierten die Tiere anschließend mit Escherichia coli-Bakterien, die eine Harnwegsinfektion auslösten. Im Vergleich zu den Kontrollgruppen, die salzarm und mit einer normalen Salzdosis ernährt wurden, verlief die Infektion bei den Tieren mit hohem Salzkonsum deutlich schlimmerer.
Ähnliche Auswirkungen zeigte eine salzreiche Ernährung auch bei einer Infektion mit Listerien. Diese Keime sind häufig in Lebensmitteln enthalten und können Erbrechen, Fieber und Blutvergiftungen verursachen. Eine Beobachtung des Immunsystems zeigte, dass die Bakterienlast bei diesem Versuch bei den salzhaltig ernährten Mäusen deutlich höher war, als bei beiden Kontrollgruppen. Laut Jobin „zählten die Wissenschaftler in Milz und Leber dieser Tiere eine 100- bis 1000-fache Menge der krankmachenden Keime.“
Bei der Suche nach einer möglichen Erklärung bemerkten die Wissenschaftler, dass die erhöhte Salzausscheidung durch die Niere dazu führt, dass als Nebenwirkung bestimmte Enzyme in geringeren Mengen produziert werden. Dies führt wiederum dazu, dass Vorläufersubstanzen der Glucocorticoide nicht mehr vollständig vom Körper verarbeitet werden können. Es werden so Biomoleküle freigesetzt, deren Wirkung dem Stresshormon Cortison gleichen.
Cortison wird in der Medizin zur Behandlung von Immunreaktionen wie Entzündungen eingesetzt. Eine zu hohe Konzentration im Körper aufgrund einer salzhaltigen Ernährung könnte also erklären, wieso es zu einer Schwächung des Immunsystems kommt. Dafür spricht auch, dass bei den Tieren die Entwicklung des Immunzellentyps Neutrophilen Granulozyten geschwächt war. Diese Immunzellen gehören zur angeborenen Immunabwehr und sind beim Menschen die häufigsten Immunzellen im Blut.
Außerdem produzieren die Nieren zur Bewältigung der höheren Salzausscheidungen mehr Harnstoff. Dieser sorgt als Nebenwirkung dafür, dass die antibakterielle Aktivität der Neutrophilen gehemmt wird. Normalerweise greifen Neutrophilen als Fresszellen unerwünschte Bakterien im Körper an. Wie Jobin erklärt, „verlaufen Infektionen weitaus heftiger, wenn sie das nicht in ausreichendem Maße tun.“ Die zwei beobachteten Nebenwirkungen deuten also darauf hin, dass ein zu hoher Salzkonsum die Schutzwirkung des Immunsystems gegen Bakterien bei Mäusen schwächt.
Um untersuchen zu können, ob ein zu hoher Salzkonsum auch beim Menschen das Immunsystem schwächt, führten die Wissenschaftler anschließend eine Studie mit zehn Probanden durch. Diese konsumierten für das Experiment für eine Woche sechs Gramm täglich. Laut Christian Kurts, Co-Autor der Studie „entspricht das etwa der Menge, die in zwei Fastfood-Mahlzeiten enthalten ist – also zwei Burgern und zwei Portionen Pommes.“
Eine Blutuntersuchung am Ende des Studienzeitraums zeigte, dass die von den Mäusen bekannten Effekte auch beim Menschen auftreten. Die Wissenschaftler konstatieren daher, dass „die Ergebnisse vor allem während bakterieller Infektionen gegen einen hohen Salzkonsum sprechen.
Science Translational Medicine, doi: 10.1126/scitranslmed.aau0683
Science Translational Medicine, doi: 10.1126/scitranslmed.aay3850