Robert Klatt
Dass zu wenig Schlaf unkonzentriert und schlapp macht, ist seit Langem bekannt. Eine Studie konnte nun belegen, dass auch die Wahrnehmung des Menschen durch Schlafmangel verändert wird.
Uppsala (Schweden). Die optimale Schlafdauer eines Erwachsenen liegt laut einer kürzlich veröffentlichten Studie bei sieben Stunden. Leider erreichen immer mehr Erwerbstätige diese Schlafzeit aufgrund zunehmender Schlafstörungen nicht. Dies wirkt sich auf sowohl auf die kognitive als auch körperliche Leistungsfähigkeit und auf die Gesundheit negativ aus. Zudem sind Menschen mit Schlafmangel unsozialer und ziehen sich stärker in die Einsamkeit zurück.
Eine Studie der Uppsala Universitet hat nun eine Erklärung dafür gefunden, wieso Menschen mit zu wenig Schlaf ihre Mitmenschen meiden. Die Wissenschaftler um Lieve van Egmond analysierten laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature and Science of Sleep, ob und wie die emotionale Bewertung von Gesichtern und Mimik sich durch Schlafmangel verändert. Die 45 Probanden verbrachten dazu eine Nacht mit acht Stunden Schlaf und eine Nacht ohne Schlaf.
Anschließend beobachteten die Wissenschaftler mithilfe eines Eyetracker die Augenbewegungen, während die Probanden Porträtfotos anderer Personen mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken betrachteten. Diese zeigten Frauen und Männer mit einer neutralen, glücklichen, wütenden oder ängstlichen Stimmung. Dabei sollten die Probanden jeweils bewerten, wie gesund, vertrauenswürdig und attraktiv die Menschen sind. Die Daten des Eyetrackers zeigen überdies, wie lange die Probanden einzelne Gesichtspartien betrachteten.
Die Analyse der Daten zeigt, dass ausgeschlafene und übernächtige Personen Gesichter deutlich anders interpretieren. „Die unter Schlafmangel leidenden Teilnehmer verbrachten weniger Zeit damit, die Gesichter zu fixieren. Weil die Mimik aber wichtig ist, um den emotionalen Zustand anderer zu interpretieren, erhöht dies das Risiko, dass man ihre Gefühle falsch oder zu spät wahrnimmt“, erklärt Egmond.
Dies bestätigen auch Einstufungstests, laut denen nach einer schlaflosen Nacht im Mittel als negativer bewertet werden. „Sie stuften die Porträts als weniger attraktiv und weniger vertrauenswürdig ein“, erklären die Autoren.
„Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass Schlafmangel mit negativeren sozialen Eindrücken verknüpft ist“, so Christian Benedict. Unausgeschlafenem Menschen bewerten ihre Kontakte demnach eher negativ. Dieses Ergebnis wird auch durch neurowissenschaftliche Studien gestützt, laut denen die Reaktion der Amygdala durch Schlafmangel beeinflusst wird. Das ist die Hirnregionen, die emotionale Informationen von außen und die eigenen Gefühle bewertet.
Die Studie erklärt somit, wieso die Wahrnehmung anderer Menschen bei Schlafmangel negativer ausfällt. „Das wiederum könnte dazu führen, dass wir auch weniger motiviert sind, mit anderen zu interagieren“, konstatiert Benedict,
Nature and Science of Sleep, doi: 10.2147/NSS.S360433