Robert Klatt
Ein schwaches Immunsystem sorgt dafür, dass die Darmbakterien aus dem Gleichgewicht geraten und der Darm mehr Fett aufnimmt. Die hohe Energiezufuhr sollte eigentlich bei der Bekämpfung von Krankheiten helfen, führt aber häufig zu Übergewicht und ist sogar ansteckend.
Salt Lake City (U.S.A). Derzeit sind laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa 1,9 Milliarden Erwachsene übergewichtig, 650 Millionen davon leiden sogar unter Fettleibigkeit. Prognosen gehen davon aus, dass bis 2045 etwa ein Viertel der Weltbevölkerung fettleibig sein wird. Die Gründe für die Entstehung von Übergewicht und Fettleibigkeit sind noch nicht vollständig entschlüsselt, da neben zu wenig Sport sowie falscher und übermäßiger Ernährung auch andere Faktoren eine Rolle spielen.
Dazu gehört unter anderem der Stoffwechsel, der sich zwischen verschiedenen Menschen deutlich unterscheidet. Verantwortlich dafür sind laut zahlreichen Studien vor allem im Darm lebende Bakterien. Versuche mit Mäusen zeigten in der Vergangenheit sogar, dass man das Gewicht durch die Verpflanzung entsprechender Darmbakterien steuern kann.
Nun haben Wissenschaftler der University of Utah herausgefunden, dass das Mikrobiom im Darm auch durch das Immunsystem beeinflusst wird. Bisher war lediglich bekannt, dass Bakterien, die für den Stoffwechsel mitverantwortlich sind, durch Antibiotika, eine Ernährung ohne ausreichende Ballaststoffe und übertriebene Hygiene behindert werden.
Die Entdeckung, dass auch das Immunsystem den Stoffwechsel mitbeeinflusst, erfolgte zufällig, als die Forschungsgruppe rund um Charisse Petersen Labormäuse untersuchte, deren Immunreaktionen durch gentechnische Veränderung abgeschwächt waren. Dabei beobachtete Petersen, dass Mäuse mit einem schwachen Immunsystem bei derselben Ernährung und unter denselben Lebensbedinungen deutlich schwerer wurden als gentechnisch nicht veränderte Labormäuse. Die Wissenschaftler schlussfolgerten laut ihres im Fachmagazin Science veröffentlichten Forschungsarbeit daraus, dass das geschwächte Immunsystem das Mikrobiom des Darms negativ beeinflusst.
Die anschließende Untersuchung zeigte, dass bei Mäusen mit einem geschwächten Immunsystem die Antikörper nicht mehr in selbem Umfang an die Darmbakterien andocken, wie bei Tieren mit einem vollkommen intakten Immunsystem. Dies führt dazu, dass das Gleichgewicht zwischen den einzelnen Bakterien im Mikrobiom verloren geht, was wiederum die Gesundheit und den für die Entstehung von Übergewicht verantwortlichen Stoffwechsel beeinflusst. Eine Analyse des Mikrobioms zeigte, dass bei den gentechnisch veränderten Mäusen kaum gutartige Bakterienstämme der Klasse Clostridia vorhanden waren und dass stattdessen Desulfurizierer-Bakterien vermehrt auftraten.
Ein zu geringer Anteil von Clostridien sorgt laut den Wissenschaftlern dafür, dass der Darm zu viel Fett aufnimmt. Bei den gentechnisch veränderten Labormäusen, die aufgrund des geschwächten Immunsystems kaum Clostridien im Darm hatten, bestätigten auch die deutlich erhöhten Blutfettwerte diese Vermutung. Während der Studie zeigte sich außerdem, dass eine nicht ausbalancierte Darmbesiedlung sogar auf andere Mäuse übertragen wird, da nicht gentechnisch veränderte Mäuse, die sich Käfige mit gentechnisch veränderten Tieren teilten, ebenfalls dicker wurden.
Wissenschaftler der University of Texas, die nicht an der Studie beteiligt waren, schreiben in einem Begleitkommentar, dass sie vermuten, dass der Körper durch die erhöhte Fettaufnahme bei Krankheiten seinen Energiebedarf decken möchte.
Die neuen Erkenntnisse sind laut den Autoren der Studie auch für den Menschen relevant, da übergewichtige Personen häufig ein schwaches Immunsystem und eine geringe Clostridien-Anzahl im Darm besitzen. In Kombination mit den bereits bekannten Faktoren, die Übergewicht und Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2 begünstigen, könnten so womöglich neue Ansätze zur Bekämpfung und Vorbeugung gefunden werden.
Science, doi: 10.1126/science.aat9351