Robert Klatt
Ein neuer Wundkleber stoppt auch starke Blutungen an der Hauptschlagader in Sekunden. Das Funktionsprinzip wurde von Seepocken übernommen, die sich mit einem zweistufigen Prozess an Steine kleben.
Cambridge (U.S.A.). Eine Blutung stoppt in der Regel von selbst, wenn das Blut gerinnt und die Wunde wieder verschließt. Bei besonders großen Verletzungen und bei Menschen mit Blutgerinnungsstörungen funktioniert dieser natürliche Prozess aber nicht immer. Nun haben Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) einen speziellen Kleber entwickelt, der auch starke Blutungen in Sekunden verschließt.
Das Funktionsprinzip hat das Team um Hyunwoo Yuk laut der Publikation im Fachmagazin Nature Biomedical Engineering von Seepocken übernommen, die sich mit ihrem Kleber auch bei starken Strömungen an Steine heften können. Dazu geben die Tiere eine ölige Substanz ab, die dafür sorgt, dass die Oberfläche frei von Wasser wird. Anschließend folgt ein Protein, dass die Körperunterseite der Seepocken und den Stein verbinden.
Diesen zweistufigen Vorgang imitiert der neue Wundkleber mithilfe von Mikropartikeln, die sich mit dem Körpergewebe und untereinander stark vernetzen. Eingebettet in diese Struktur ist eine stark wasserabweisende Matrix aus Fettsäuren, die das Blut vom Gewebe vertreibt und damit die Unterlage sauber hält. Die Mikropartikel können so ihre vollständige Haftkraft auf der freien Oberfläche entfalten.
In ersten Tests konnte der neue Kleber starke Blutungen in unter 15 Sekunden stoppen. Der in Form von Paste aufgetragene Kleber konnte damit sogar Wunden an der Hauptschlagader von Schweinen, die unter hohem Blutdruck standen, schließen. Derzeit benötigt das Schließen von starken Blutungen mithilfe von gerinnungsfördernden Wirkstoffen noch mehrere Minuten.
Außerdem funktionieren gerinnungsfördernde Wirkstoffen bei Menschen, deren Blutgerinnung durch Medikamente gehemmt ist oder die unter Blutgerinnungsstörungen leiden nicht gut. In Zukunft könnte laut den Entwicklern in diesen Fällen der neue Kleber helfen. Denkbar ist auch ein Einsatz in der Notfallmedizin bei schweren inneren Blutungen. Die klebenden Mikropartikel werden anschließend innerhalb weniger Wochen vom Körper abgebaut.
Derzeit befindet sich der Kleber noch in der weiteren Entwicklung. Eine Zulassung wird also noch einige Zeit brauchen.
Nature Biomedical Engineering, doi: 10.1038/s41551-021-00769-y