Robert Klatt
Ein neues Messverfahren erkennt anhand von Smartphone-Videos den Blutdruck, den Puls und das Stresslevel von Menschen. Derzeit funktioniert das Verfahren aber noch nicht bei allen Personengruppen.
Toronto (Kanada). Wissenschaftler der Universität Toronto haben eine Methode entwickelt, die es ermöglicht per Smartphone den Blutdruck, den Puls und das Stresslevel von Menschen zu bestimmen. Nötig ist dazu lediglich ein zweiminütiges Video, das über die Selfie-Kamera des Smartphones aufgenommen werden kann. Anschließend bestimmt eine App aus dem Videomaterial zuverlässig die Gesundheitsdaten. Aktuell funktioniert das Verfahren allerdings noch nicht bei allen Personen zuverlässig, sondern ist auch hellhäutige Menschen mit nicht deutlich vom Durchschnitt abweichenden Blutwerten beschränkt.
Das transdermal optical imaging genannte Verfahren, an dem neben den kanadischen Forschern auch Wissenschaftler der chinesischen Universitäten Hangzhou Normal University und der Zhejiang Normal University beteiligt waren, wurde kürzlich im Fachmagazin Circulation: Cardiovascular Imaging vorgestellt.
Laut einer Veröffentlichung der Universität Toronto lag die Genauigkeit des Messverfahrens bei 1.328 erwachsenen Kanadiern und Chinesen zwischen 95 und 96 Prozent. Innerhalb der Testreihe wurden Videos genutzt, die mit einem iPhone aufgezeichnet wurden. Die Entwicklung des Verfahrens basiert auf einem Zufall, da die Forschungsgruppe rund um Professor Kang Lee eigentlich einen kontaktlosen Lügendetektor entwickeln wollte.
Um den Blutdruck und die sonstigen Gesundheitswerte zu messen, wird mit dem Kamerasensor analysiert wie viel Blut unterhalb der Haut des Gesichts fließt. Dies ist möglich, da das Licht die oberste Hautschicht durchdringen kann und das reflektierte rote Licht die Adern und den Blutfluss zeigt. Lee erklärt, dass „die Wissenschaftler sehen können, wie das Blut in unterschiedlichen Bereichen des Gesichts fließt und dass aus der Zu- und Abnahme des Blutflusses Rückschlüsse gezogen werden können.“
Inzwischen hat Lee das Unternehmen Nuralogix gegründet, das die App Anura kostenfrei für iOS- und Android-Smartphones anbietet. Die bisher verfügbare Version der App misst anhand eines 30-Sekunden-Videos das Stresslevel und den Puls. Eine Version der App, die auch den Blutdruck erkennt, soll zeitnah erscheinen, ist aber vorerst auf China beschränkt. Laut einer Stellungnahme des Unternehmens werden Videos nach der Analyse durch die App wieder gelöscht. Die Messwerte werden anonymisiert in der Cloud gespeichert, umso eine Verbindung zum Namen der Personen unmöglich zu machen.
Bevor das neue Messverfahren bisherige Techniken in der klinischen Praxis ersetzen kann, ist laut den Forschern noch eine Menge Entwicklungsarbeit nötig, da bisher nur Probanden genutzt wurden, die einen normalen oder leicht erhöhten Blutdruck hatten. Außerdem erkennt die App bei Menschen mit sehr heller und sehr dunkler Haut den Blutdruck noch nicht präzise genug. Problematisch bei der Arbeit mit Personen mit sehr hohem Blutdruck ist, dass ein Großteil dieser Personen Medikamente nehmen, die den Blutdruck absenken. Es ist daher nur schwer möglich eine ausreichende Datenbasis zu erstellen.
In Zukunft soll die Anura-App noch weitere Werte wie den Blutzucker, das Cholesterin und das Hämoglobin auslesen können.
Circulation: Cardiovascular Imaging, doi: 10.1161/CIRCIMAGING.119.008857