Gedächtnis-Engrammzellen

So speichert das Gehirn neue Erinnerungen

Robert Klatt

Neuronale Netze des Gehirns )kcotS ebodAU4CIP(Foto: © 

Das Gedächtnis speichert Erinnerungen, indem die synaptische Verbindung zwischen den Engrammzellen des Gehirns verändert wird. Bisher ging die Forschung davon aus, dass Erinnerungen innerhalb der Engrammzellen gespeichert werden.

Dublin (Irland). Die Neurowissenschaft hat in den letzten Jahren signifikante Durchbrüche erzielt und etwa belegt, dass das Vergessen kein Fehler ist, sondern eine spezielle Form des Lernens, die dem Menschen dabei hilft, sich besser an die sich ändernde Welt anzupassen und bessere Entscheidungen zu treffen. Forscher der Trinity College of Dublin um Clara Ortega-de San Luis haben nun eine Studie publiziert, die untersucht hat, welche Mechanismen es ermöglichen, neue Erinnerungen zu bilden.

Das Gehirn des Menschen besteht aus dynamischen Zellnetzwerken, die sich ständig verändern. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Current Biology mussten die Forscher deshalb identifizieren, bei welchen Veränderung im Gehirn es sich um eine Erinnerung handelt. In der Forschung werden solche Informationen für die spätere Verwendung als „Engramm“ bezeichnet.

Gedächtnis-Engrammzellen sind Gruppen von Gehirnzellen, die durch spezifische Erfahrungen aktiviert, sich selbst verändern, um Informationen in unserem Gehirn zu integrieren und somit zu speichern. Die Reaktivierung dieser 'Bausteine' von Erinnerungen löst die Erinnerung an die spezifischen, damit verbundenen Erfahrungen aus. Die Frage ist, wie Engramme bedeutungsvolle Informationen über die Welt speichern?“

Engrammzellen im Gehirn identifiziert

Die Studienautoren haben eine Form des Lernens, bei der zwei ähnliche Erfahrungen verbunden werden, untersucht, um zu identifizieren, welche Veränderungen der Engramme es dem Gedächtnis ermöglichen, neue Erinnerung zu speichern. Dazu nutzten sie ein Experiment, bei dem Tiere lernten, unterschiedliche Kontexte zu erkennen und Verbindungen zwischen ihnen zu bilden.

Gentechnische Methoden ermöglichten es den Forscher, zwei unterschiedliche Populationen von Engrammzellen zu erkennen. Sie konnten dadurch beobachtet, wie Erinnerungen durch die Bildung neuer Verbindungen zwischen diesen Engrammzellen entstehen.

Aktivität von Gehirnzellen gesteuert

Anschließend nutzten die Forscher die Optogenetik, mit der die Aktivität von Gehirnzellen mit Licht kontrolliert werden kann, um zu untersuchen, wie diese neu gebildeten Verbindungen das Lernen ermöglichen. Dabei entdeckten sie einen molekularen Mechanismus, den ein spezifisches Protein in der Synapse aktiviert, um die Konnektivität zwischen Engrammzellen zu regulieren.

Wie Dr. Ryan erklärt, liefert die Studie somit direkte Beweise dafür, dass Veränderungen in der synaptischen Verdrahtungskonnektivität zwischen Engrammzellen für die Speicherung von Erinnerungen im Gehirn verantwortlich sind.

„Das Verständnis der zellulären Mechanismen, die das Lernen ermöglichen, hilft uns nicht nur zu verstehen, wie wir neue Erinnerungen bilden oder bereits vorhandene modifizieren, sondern auch unser Wissen darüber zu erweitern, wie das Gehirn funktioniert und welche Mechanismen für die Verarbeitung von Gedanken und Informationen benötigt werden.“

In der Neurowissenschaft wurde zuvor angenommen, dass Erinnerungen innerhalb der Engrammzellen gespeichert werden. Die neue Studie zeigt jedoch, dass dies eher im Raum zwischen den Zellen als innerhalb der Zellen selbst stattfindet. Diese neuen Erkenntnisse verschieben den Fokus von der isolierten Betrachtung einzelner Zellen hin zum komplexen Zusammenspiel innerhalb des neuronalen Netzwerks. Damit wird die Rolle der Engrammzellen neu definiert. Es ist nicht das Engramm, das in der Zelle liegt, sondern vielmehr die Zelle, die Teil des Engramms ist.

Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2023.10.074

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