Robert Klatt
Nervenleitschienen aus Spinnenseide und Seide von Seidenraupen kann beim Reparieren von Nervenverletzungen helfen.
Wien (Österreich). In der Medizin werden Nervenleitschienen aus Kollagen verwendet, um verletzte Nerven wieder miteinander zu verbinden. Die Röhrchen werden dazu an beide Enden des verletzten Nervs angenäht. Bisher funktioniert dieses Verfahren aber nur über kurze Distanzen gut. Damit Nervenverletzungen noch besser heilen, dachte man in der Medizin darüber nach, die Röhren der Nervenleitschienen mit einem Füllmaterial auszustatten.
Ein Team um Christine Radtke, Leiterin der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie von der Med-Uni Wien hat nun solche gefüllten Nervenleitschienen entwickelt. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Advanced Healthcare Materials nutzten sie dazu die Seide von Seidenraupen und Spinnenseide. Es handelt sich dabei um Fäden mit einer hohen Reißfestigkeit und Flexibilität, die in der Wissenschaft als Vorbild für neue Materialien gelten.
Die Forscher um Radtke haben für ihre optimierten Nervenleitschienen die Seide der Seidenraupen und die Spinnenseide kombiniert. Die Seide der Seidenraupen bildet die Röhrchen und die Seide der Spinnen deren Füllung.
Um die künstlichen Nervenleitschienen zu testen, führten die Forscher Experimente mit Mäusen durch. Diese verliefen erfolgreich und die durchtrennten Nervenbahnen passten sich an die Nervenleitschienen aus Seide an. Die Nervenenden konnten somit wieder miteinander verbunden werden.
„Im Rahmen unserer Studie ist es uns nicht nur gelungen, eine Nervenreparatur herbeizuführen, wir konnten auch die Komponenten des Heilungsprozesses im Detail analysieren.“
Die Röhrchen aus Seidenraupenseide besitzen eine poröse Wand, die dafür sorgt, dass der für das Nervensystem notwendige Austausch von Nähr- und Abfallstoffen funktioniert. Zudem konnte im Experiment Wissen über die molekulare Struktur der Röhrchen gewonnen werden. Diese ist für die hohe Stabilität verantwortlich und sorgt dafür, dass es nicht zu Knicken und Brüchen kommt.
Auch das Füllmaterial aus Spinnenseide, das im Inneren der Röhrchen als „Gerüst“ für regenerierende Gewebe dient, funktionierte, wie erhofft.
„In unserer Studie stellte sich heraus, dass periphere Nerven gut funktionieren, wenn solche Fäden aus Seide bestehen, wobei Spinnenseide bei den Führungsschienen offenbar bevorzugt wird.“
In Zukunft möchten die Forscher die Nervenleitschienen bei Menschen mit peripheren Nervenverletzungen erproben.
„Unsere Studie ist ein wichtiger Schritt in der regenerativen Neurowissenschaft.“
Advanced Healthcare Materials, doi: 10.1002/adhm.202203237