Immunsystem

Tattoos verändern die Wirkung von Impfungen

 Robert Klatt

Tattoos stören das Immunsystem )moc.sotohptisopedoknemilKaytsoK(Foto: © 

Tattoofarben wandern von der Einstichstelle in die Lymphknoten und verursachen dort langanhaltende Entzündungen. Die Pigmente können außerdem die Immunreaktion beeinflussen und dazu führen, dass Impfungen eine stärkere oder schwächere Wirkung haben. mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 lösen etwa eine schwächere Antikörperreaktion aus, wenn sie an eine tätowierte Körperstelle verabreicht werden.

Lugano (Schweiz). Etwa ein Fünftel aller Menschen hat mindestens ein Tattoo, obwohl tätowierte Personen zu vergrößerten Lymphknoten und starken Immunreaktionen neigen sowie laut einer Studie der Universität Lund öfter an Lymphdrüsenkrebs erkranken. In der Medizin ist es bereits bekannt, dass sich Tattoopigmente von der Haut ablösen können und sich in den benachbarten Lymphknoten ablagern. Man geht deshalb davon aus, dass die Farbe die immunologischen Nebenwirkungen auslösen könnte, obwohl die Forschung diesen Prozess bisher kaum analysiert hat.

Wissenschaftler der Università della Svizzera italiana (USI) haben deshalb Experimente durchgeführt, in denen sie 25 Quadratmillimeter der unbehaarten Haut der Fußsohle von Mäusen mit den Farben Schwarz, Rot und Grün tätowiert haben. Anschließend haben sie untersucht, ob es im Körper der Tiere zu ungewöhnlichen Reaktionen des Immunsystems kommt und ob es Pigmentablagerungen abseits der tätowierten Hautstelle gibt. Außerdem haben die Forscher den Tieren unterschiedliche Impfstoffe verabreicht, um zu analysieren, ob die Tattoofarben deren Wirksamkeit beeinflussen.

Tattoofarben breiten sich im Körper aus

Die Analyse zeigt, dass sich die Tattoofarben von der Einstichstelle ausbreiten und in den nächstgelegenen Lymphknoten wandern. Die Pigmente waren in der Kniekehle bereits zehn Minuten nach der Tätowierung und noch zwei Monate danach vorhanden. Die roten und schwarzen Pigmente haben zudem die weiterentfernten Lymphknoten in den Lenden erreicht. Dies zeigt, dass sie von den Knien über die Lymphbahnen weitertransportiert wurden.

„Wir stellten fest, dass sich die Tinte anfangs ausschließlich über die Lymphgefäße der Kniekehle ausbreitet und nach zehn Minuten einen ersten Höchstwert erreicht.“

Makrophagen absorbieren Farbpigmente

Eine anschließende Untersuchung zeigt, dass die Makrophagen, weiße Blutkörperchen, die in der Haut und in Lymphknoten vorkommen, die Farbpigmente aufnehmen. Makrophagen sollen normalerweise im Körper Fremdstoffe bekämpfen und das Immunsystem aktivieren. Bei einem Kontakt mit einem Farbpigment stoßen sie Signalmoleküle aus und sterben innerhalb von zwei Tagen.

Die Signalmoleküle verbleiben zwischen zehn Tagen und zwei Monaten im Blut der Tiere und lösen im gesamten Körper Entzündungsreaktionen aus. Zwei Monate nach der Tätowierung sind zudem noch andere weiße Blutkörperchen, darunter B- und T-Zellen, in einer ungewöhnlich hohen Anzahl vorhanden. Die von der Tätowierung ausgelöste Immunreaktion dauert also mindestens zwei Monate. Laut den Forschern könnte die Immunreaktion so lange andauern, weil es im Körper zu einer Kettenreaktion kommt, bei der tote Makrophagen die zuvor absorbierten Pigmente an neue Makrophagen weitergeben.

Starker Einfluss auf Impfstoffe

Die Pigmente der Tattoofarben werden nicht nur durch das Lymphsystem verteilt, sondern sammeln sich in Kristallform unmittelbar in der Einstichstelle. Experimente mit verschiedenen Impfstoffen zeigen, dass sich deren Wirkung verändert, wenn diese an der tätowierten Hautstelle verabreicht werden. Ein mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 löst eine geringere Antikörperreaktion aus, wenn er über die tätowierte Haut verabreicht wird, während ein Impfstoff mit inaktiven Grippeviren eine stärkere Antikörperreaktion auslöst.

Tests mit menschlichen Zellkulturen zeigen, dass die Impfreaktion des mRNA-Impfstoffs sich verschlechtert, weil die Makrophagen mit den Farbpigmenten beschäftigt sind und deshalb weniger Virusproteine produzieren, woraufhin die B-Zellen weniger Antikörper bilden. Bei der Impfung mit den inaktiven Grippeviren werden die Makrophagen nicht benötigt und reduzieren somit auch nicht die Impfreaktion. Wieso diese sogar stärker ausfällt, konnten die Forscher bisher nicht eindeutig beantworten.

„Durch Tätowierungen hervorgerufene lokale Entzündungen könnten als Stimulus wirken und die Impfantwort verstärken.“

Insgesamt zeigt die Studie deutlich, dass Tattoofarben das Immunsystem für einen längeren Zeitraum stören. Sie wollen deshalb weiter untersuchen, wie gesundheitsschädlich Tattoos für Menschen sind.

Quellen:

Studie im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.2510392122

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