Robert Klatt
Es ist erstmals gelungen das Glioblastom vollständig im 3D-Drucker zu erzeugen. Die künstlichen Minitumore sollen die Behandlung von Patienten und die Entwicklung neuer Medikamente verbessern.
Tel Aviv (Israel). Das Glioblastom (Glioblastoma multiforme) ist der häufigste bösartige Hirntumor bei Erwachsenen. In der WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems wird die aggressive Krebsart aufgrund ihrer miserablen Prognose als Grad IV eingestuft. Durch eine operative Reduktion der Tumormasse in Kombination mit Chemotherapie und Bestrahlung ist zwar eine Behandlung möglich, eine endgültige Heilung kann die Medizin bei einem Glioblastom bisher aber nicht erzielen. Die mittlere Überlebenszeit liegt deshalb bei gängigen Therapiemethoden bei nur 15 Monaten. In seltenen Fällen können Patienten aber auch länger 20 Jahre überleben.
Wie Prof. Ronit Satchi-Fainaro von der Universität Tel Aviv (TAU) erklärt, ist die Entwicklung neuer Medikamente gegen das Glioblastom und andere Krebsarten für die Forschung mit vielen Problemen verbunden. „Krebs verhält sich wie alle Gewebe in einer Petrischale oder einem Reagenzglas ganz anders als im menschlichen Körper. Etwa 90 Prozent aller experimentellen Medikamente scheitern in klinischen Studien, weil sich der im Labor erzielte Erfolg beim Patienten nicht reproduziert“, so Satchi-Fainaro.
Um in Zukunft die Entwicklung neuer Medikamente zu vereinfachen und die Behandlung von Patienten zu verbessern, haben die Wissenschaftler der TAU laut einer Publikation im Fachmagazin Science Advances deshalb erstmals ein voll funktionsfähige 3D-Modell eines Glioblastom-Tumors erzeugt. Das im 3D-Drucker entstandene Modell enthält sowohl das vollständige Krebsgewebe als auch die Umgebung des Tumors, die dessen Entwicklung maßgeblich mitbeeinflusst. Es handelt sich dabei laut Satchi-Fainaro um die bisher umfangreichste Nachbildung eines Tumors.
Die Nachbildung besteht größtenteils aus einer gehirnähnlichen Gelzusammensetzung, enthält aber auch ein komplexes System von blutgefäßähnlichen Röhren. Dieses transportiert Blutzellen und Medikamente durch den künstlichen Tumor. Im klinischen Alltag könnte die Nachbildung verwendet werden, um Behandlungen auszuprobieren. Ärzte könnten so im Vorfeld simulieren, wie der individuelle Tumor eines Patienten auf den jeweiligen Ansatz reagiert.
„Der Prozess, bei dem wir einen Tumor eines Patienten biodrucken, besteht darin, dass wir in den Operationssaal gehen, Gewebe aus dem Tumor entnehmen und es gemäß dem MRT dieses Patienten drucken. Dann haben wir ungefähr zwei Wochen Zeit, in denen wir all die verschiedenen Therapien testen können, um ihre Wirksamkeit für diesen spezifischen Tumor zu bewerten, und eine Antwort darauf erhalten, welche Behandlung voraussichtlich am besten geeignet ist“, erklärt Satchi-Fainaro.
„Wenn wir eine Probe aus dem Tumor eines Patienten zusammen mit dem umgebenden Gewebe entnehmen, können wir aus dieser Probe 100 winzige Tumoren in 3D-Bioprinting drucken und viele verschiedene Medikamente in verschiedenen Kombinationen testen, um die optimale Behandlung für diesen spezifischen Tumor zu finden. Alternativ können wir zahlreiche Wirkstoffe an einem 3D-Bioprint-Tumor testen und entscheiden, welches als potenzielles Medikament für die weitere Entwicklung und Investition am vielversprechendsten ist“, so Satchi-Fainaro.
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abi9119