Robert Klatt
Ein Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30 im mittleren Alter erhöht das Demenz-Risiko um mehr als 30 Prozent. Besonders gefährdet sind Frauen mit viel abdominalen Fett.
London (England). Laut Daten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. (DAlzG) leben in der Bundesrepublik 1,7 Millionen Menschen mit Demenz. Die genauen Ursachen dieser neurodegenerativen Erkrankung sind der Wissenschaft trotzdem bis heute unbekannt. Bisher konnten Studien lediglich Indizien dafür liefern, dass bestimme Genvarianten, Herpesviren und Pilze sowie Bluthochdruck und verschiedene Medikamente das Demenz-Risiko steigern.
Wissenschaftler des University College London haben nun untersucht, ob auch Übergewicht ein Risikofaktor für Demenz ist. In der Medizin wird dieser Zusammenhang schon länger diskutiert, weil überschüssiges Fettgewebe entzündungsfördernde Botenstoffe freisetzt und dadurch die Entstehung von Durchblutungsstörungen und Gefäßerkrankungen begünstigt. Außerdem existieren Hinweise darauf, dass zu viel Fettgewebe Stoffwechselwege negativ beeinflusst und damit die Bildung von Amyloid-Proteine im Gehirn erhöht, die die Alzheimer-typische Plaquebildung fördern.
Das Team um Yuxian Ma hat laut ihrer Veröffentlichung im International Journal of Epidemiology Gesundheitsdaten von 6.582 Probanden einer britischen Langzeitstudie analysiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser Studie waren zu Beginn mindestens 50 Jahre alt und wurden 15 Jahre lang medizinisch dokumentiert. Es sollte so untersucht werden, ob Übergewicht im mittleren Alter das Demenz-Risiko eines Senioren erhöht.
Insgesamt erkrankten während den 15 Jahren der Studie 453 der 6.582 an Demenz. Es zeigte sich dabei, dass Probanden, die mit Anfang 50 einen Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30 hatten, im hohen Alter häufiger unter der neurodegenerativen Erkrankung litten. Im Vergleich zu Normalgewichtigen ist ihr Risiko um 31 Prozent höher. Auch das Herausrechnen weiterer Risikofaktoren wie Diabetes, Rauchen, Bluthochdruck und des Bildungsstands verändert dieses Ergebnis nicht.
Auffallend sind laut den Studienautoren die großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Während bei Männern das Demenz-Risiko einzig mit dem Grad des Übergewichts zusammenhängt und der Bauchumfang dabei irrelevant ist, steigt bei Frauen das Demenz-Risiko um 39 Prozent, wenn sie in der Bauchregion besonders viel überschüssiges Fett besitzen. Dieses sogenannte abdominale Fett ist ein Hinweis auf eine starke Verfettung der inneren Organe und gilt als besonders gefährlich.
Die Studienautoren konstatieren, „dass ihr Ergebnisse einen weiteren Beleg dafür liefern, dass es einen positiven und von anderen Risikofaktoren unabhängigen Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Demenz gibt.“ Belege für andere Studienergebnisse, laut denen weitere Einflussfaktoren wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes diese Verknüpfung modulieren, konnten hingegen nicht gefunden werden.
Wie Ma erklärt, ist „Übergewicht also per se ein Risikofaktor für Demenz.“ Dies könnte auf erklären, wieso diese neurodegenerativen Erkrankungen häufiger auftritt. Insgesamt belegen laut den Wissenschaftler die Studienergebnisse „die Notwendigkeit, öffentliche Gesundheits-Interventionen zu entwickeln und umzusetzen, die das Übergewichtsproblem angehen und Demenz damit verhindern helfen.“
International Journal of Epidemiology, doi: 10.1093/ije/dyaa099