Robert Klatt
Ungeimpft sind laut Berechnungen der HU Berlin in Deutschland an bis zu 91 Prozent der Infektionen mit SARS-CoV-2 beteiligt. Maßnahmen, die speziell diese Gruppe betreffen, wären zur Infektionskontrolle deshalb sinnvoll.
Berlin (Deutschland). In Deutschland sind aktuell (Stand 27.11.2021) etwa 65 Prozent der Erwachsenen gegen Covid-19 geimpft. Eine Untersuchung der Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin) kam nun zu dem Ergebnis, dass obwohl Ungeimpfte eine Minderheit sind, der Großteil aller Infektionen mit SARS-CoV-2 von ihnen ausgeht. Laut der Studie (PDF) sind Ungeimpfte als Ansteckende oder Angesteckte für 80 bis 90 Prozent aller Infektionen verantwortlich. Die Forscher kamen deshalb zu dem Schluss, dass Maßnahmen zur Infektionskontrolle bei Ungeimpften besonders große Auswirkungen haben.
Laut den Wissenschaftlern wird die Dynamik der Covid-19-Pandemie hauptsächlich durch die Impfquote und die Wirksamkeit der Impfstoffe beeinflusst. Das Team um Dirk Brockmann hat deshalb für die Studie zwei unterschiedliche Szenarien modelliert.
Im ersten Szenario gehen die Wissenschaftler von einer hohen Impfstoffwirksamkeit bei Jugendlichen (92 %) und Erwachsenen sowie Senioren (72 %) aus. 51 Prozent aller Infektionen würden in diesem Fall durch ungeimpfte Menschen bei anderen ungeimpften Menschen erfolgen. Ungeimpfte würden außerdem in 25 Prozent der Fälle das Virus an Geimpfte weitergegeben. Eine Übertragung von Geimpften an Ungeimpfte wäre hingegen selten (15 % der Fälle) und auch Geimpfte andere würden andere Geimpfte nur selten (9 % der Fälle) infizieren. Kumuliert wären Ungeimpfte in diesem Szenario also an 91 Prozent der Infektionen beteiligt.
Das zweite Szenario basiert auf einer geringeren Impfstoffwirksamkeit bei Jugendlichen (60 %) und Erwachsenen sowie Senioren (50 %). Auch unter diesen Annahmen wären Ungeimpfte noch immer an einem Großteil (74 %) der Infektionen beteiligt. Sie wären in 38 Prozent der Fälle für Infektionen anderer Ungeimpfter und in 29 Prozent der Fälle für Infektionen Geimpfter verantwortlich. Hinzukommen Infektionen Ungeimpfter (17 %), die durch Geimpfte ausgelöst wurden und Infektionen (16 %), an denen nur Geimpfte beteiligt wären.
Damit die Covid-19-Pandemie in Deutschland abflaut, müsste der R-Wert auf unter 1 sinken. Möglich wäre dies durch Einschränkungen bei Ungeimpften und/oder Geimpften. Würden die Einschränkungen nur für Ungeimpfte gelten, müsste das Übertragungsrisiko innerhalb dieser Gruppe durch die Maßnahmen um 22 bis 25 Prozent sinken, damit ein R-Wert unter 1 erreicht wird. Wenn Maßnahmen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens sowohl Ungeimpfte als auch Geimpfte treffen, würde eine Reduktion des Übertragungsrisikos um 17 Prozent ausreichen, um den R-Wert auf unter 1 zu drücken.
Am einfachsten könnte man dieses Ziel laut den Berechnungen der Wissenschaftler aber erreichen, wenn man die Impfquote auf 90 Prozent steigert. Dies würden den R-Wert mit einer kleinen Verzögerung auf 0,86 senken und damit ein deutliches Abflauen der Covid-19-Pandemie auslösen.