Robert Klatt
Fettzellen von ehemals übergewichtigen Menschen besitzen eine epigenetische Markierung, die den Jo-Jo-Effekt begünstigt. Weil die Zellen eine Art „Gedächtniseffekt“ besitzen und im Körper bis zu zehn Jahre alt werden, nehmen viele Menschen nach einer Diät wieder zu.
Zürich (Schweiz). Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) haben laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Europa bereits epidemische Ausmaße erreicht. Eine Studie der Osaka Metropolitan University (OMU) zeigt zudem, dass das Übergewicht auch in armen Nationen zunimmt, vor allem aufgrund der zunehmenden Verbreitung von sehr energiereichen Lebensmitteln. Es ist somit nicht überraschend, dass die Anzahl der Menschen, die versuchen, mit unterschiedlichen Diäten ihr Gewicht zu reduzieren, kontinuierlich größer wird. Bei vielen Menschen kommt es beim Abnehmen jedoch zum sogenannten Jo-Jo-Effekt, der dafür sorgt, dass das verlorene Gewicht schnell wieder zugenommen wird.
Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) haben nun entdeckt, dass die Epigenetik des Menschen für den Jo-Jo-Effekt verantwortlich ist. Es handelt sich dabei um den Teil der Genetik, der nicht auf Veränderungen der Sequenz der Desoxyribonukleinsäure (DNA) beruht, sondern auf chemischen Markierungen an Genbausteinen. Epigenetische Markierungen sind deutlich dynamischer und können durch die Umwelt, den Gesundheitszustand, die Ernährung und viele andere Faktoren beeinflusst werden. Kommt es zu epigenetischen Veränderungen, können diese über mehre Jahre stabil bleiben und in diesem Zeitraum unter anderem die Genaktivität beeinflussen.
„Die Epigenetik sagt einer Zelle, was für eine Zelle sie ist und was sie tun soll.“
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature haben die Forscher für ihre Studie die Fettzellen von aktuell übergewichtigen Mäusen und Mäusen, die durch eine Diät ihr überschüssiges Gewicht wieder verloren haben, untersucht. Sie konnten so ermitteln, dass Fettleibigkeit im Kern von Fettzellen eine epigenetische Markierung hinterlässt, die auch nach dem Gewichtsverlust noch vorhanden ist.
„Die Fettzellen erinnern sich an den übergewichtigen Zustand und können leichter in diesen zurückversetzt werden. Damit haben wir eine molekulare Grundlage für den Jo-Jo-Effekt gefunden.“
Normalgewichtige Mäuse, die die epigenetische Markierung noch in ihren Fettzellen hatten, nahmen schneller an Gewicht zu als gleichgefütterte Tiere, die zuvor noch kein Übergewicht hatten.
Anschließend haben die Forscher Fettgewebe von ehemals übergewichtigen Menschen untersucht, die ihr Gewicht durch eine Magenverkleinerung oder einen Magenbypass verloren hatten. Die dabei beobachtete Genaktivität stimmte mit den Mäusen überein.
„Fettzellen sind langlebige Zellen. Sie werden im Schnitt zehn Jahre alt, bevor unser Körper sie durch neue Zellen ersetzt.“
Die Forscher erklären, dass eine Prävention von Übergewicht entscheidend ist, um die Entstehung des Gedächtniseffekts zu verhindern.
„Weil es den Gedächtniseffekt gibt, ist es wichtig, Übergewicht von vornherein zu vermeiden.“
Die Medizin kann epigenetische Markierungen im Zellkern bisher noch nicht beeinflussen. Es ist somit nicht möglich, den Jo-Jo-Effekt durch Medikamente zu unterbinden.
„Vielleicht wird das in Zukunft möglich werden. Aber vorerst müssen wir mit diesem Gedächtniseffekt leben.“
Zudem erklären die Forscher, dass die aktuelle Studie sich nur mit Fettzellen beschäftigt hat. Es ist denkbar, dass noch andere Zellen ein ähnliches Erinnerungsvermögen besitzen und ebenfalls zum Jo-Jo-Effekt beitragen, darunter etwa Gehirnzellen, die Blutgefäße und das Verdauungssystem.
„Auch andere Körperzellen könnten zum Jo-Jo-Effekt beitragen.“
Nature, doi: 10.1038/s41586-024-08165-7