Körpereigene Entzündungshemmer

Ursache für Herzmuskelentzündung nach Corona-Impfung entdeckt

Robert Klatt

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Auf den Punkt gebracht
  • In Einzelfällen verursachen mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 die Bildung von Antikörpern gegen einen körpereigenen Entzündungshemmer
  • Diese Antikörper verursachen eine Autoimmunreaktion, die die Herzmuskelentzündung (Myokarditis) auslösen kann

In Einzelfällen kann eine mRNA-Impfung gegen SARS-CoV-2 eine Herzmuskelentzündung auslösen. Nun wurde die Ursache für diese seltene Impfnebenwirkung entdeckt.

Saarbrücken (Deutschland). Die mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 lösen in etwa ein bis zehn von 100.000 Fällen eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) aus. Betroffen sind laut einem Bericht des österreichischen Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) vor allem junge Männer. Glücklicherweise verläuft eine Impf-Myokarditis im Mittel deutlich milder als eine Herzmuskelentzündung nach Covid-19.

Wieso die Impfung in Einzelfällen eine Herzmuskelentzündung auslösen kann, haben nun Forscher der Universität des Saarlandes herausgefunden. Laut ihrer Publikation im New England Journal of Medicine untersuchten sie 40 Patienten, bei denen nach einer SARS-CoV-2-Impfung eine durch Biopsie bestätigten Myokarditis aufgetreten war, immunologisch. Als Kontrollgruppen dienten 214 geimpfte gesunde Probanden sowie 125 Probanden, bei denen es aus einem anderen Grund zu einer Herzmuskelentzündung gekommen war.

Suche nach speziellen Antikörpern

Das Team um Lorenz Thurner suchte dabei nach Autoantikörpern, die auch bei Menschen mit einem schweren Verlauf von Covid-19 und bei Kindern mit dem Multisystemischen Entzündungssyndrom (MIS-C) auftreten. MIS-C, auch bekannt als Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) ist eine körperweite Entzündung, die bei manchen Menschen nach Covid-19 auftritt.

Antikörper bei geimpften Probanden mit Myokarditis

Im Blut von drei Vierteln (75 %) der geimpften Probanden mit Myokarditis fanden die Forscher tatsächlich im Blut einen Antikörper gegen den körpereigenen Entzündungshemmer Interleukin-1-Rezepetor-Antagonist (IL-Ra). Es handelt sich dabei um ein Molekül, das auf der Oberfläche der Zellen die Andockstellen des Entzündungsbotenstoffs Interleukin-1 blockiert. Dadurch werden entzündliche Immunreaktionen unterbunden.

Zuvor entdeckten Wissenschaftler, dass bei einigen Patienten auch bei schweren Covid-19-Verläufen Interleukin-1-Rezepetor-Antagonist durch irrtümlich gebildete Antikörper deaktiviert wird. Wie Christoph Kessel vom Universitätsklinikum Münster erklärt, ist zudem die Bedeutung von Interleukin-1 bekannt.

„Gerade bezüglich Entzündungen an Herzbeutel, Herzmuskel sowie Gefäßen wissen wir bereits um die zentrale Bedeutung von Interleukin-1. Unser Immunsystem reguliert sich jedoch normalerweise selbst und gerade hochpotente Interleukine haben natürliche Gegenspieler.“

Anlagerungen stören das Immunsystem

Laut Thurner konnten die Forscher zudem klären, wieso bei Männern mit impfbedingter Myokarditis die Antikörper entstehen.

„Bei den Patienten mit Myokarditis findet sich meist eine atypische Form von IL-Ra mit einer zusätzlichen Phosphorylierung.“

Die Proteinkette des Moleküls enthält also eine zusätzliche Phosphorgruppe, die in ähnlicher Form auch bei Erwachsenen mit schwerem Covid-19-Verlauf und Kindern mit MIS-C vorkommt. Diese Phosphorgruppe behindert jedoch die Erkennungssysteme des Immunsystems.

„Das Immunsystem bewertet diesen dann als körperfremde Struktur und bildet fälschlicherweise Antikörper dagegen. Durch diese wird dann der wichtige Entzündungshemmer neutralisiert und somit die Wirkung entzündungsfördernder Botenstoffe begünstigt.“

Warum diese Anlagerungen nur bei machen Menschen auftreten, ist noch unklar und soll in weiteren Studien untersucht werden.

Impfungen weiterhin sinnvoll

Zudem erklärt Karin Klingel vom Universitätsklinikum Tübingen, dass Impfungen gegen SARS-CoV-2 trotz ihrer Entdeckung weiterhin sinnvoll sind.

„Man muss in diesem Kontext jedoch klarstellen, dass Impfungen gegen SARS-CoV-2 unzählige schwere Krankheitsverläufe verhindert und sehr viele Leben gerettet haben. Wir sind fest davon überzeugt, dass der Nutzen der mRNA-Impfungen mit dem daraus resultierenden Schutz gegen schwere SARS-CoV-2-Infektionen und schwere Komplikationen bei weitem das Risiko einer milden Myokarditis überwiegt.“

New England Journal of Medicine, doi: 10.1056/NEJMc2205667

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