Robert Klatt
Kinder mit einer vegetarischen Ernährung haben ein ähnliches Wachstum und eine ähnliche Nährstoffversorgung wie Kinder, die auch Fleisch essen. Das Risiko für Untergewicht nimmt durch die überwiegend pflanzliche Ernährung aber zu.
Toronto (Kanada). In Deutschland waren laut der Ernährungsstudie EsKiMo II des Robert Koch-Instituts (RKI) im Zeitraum von 2015 bis 2017 etwa 3,4 Prozent aller Kinder Vegetarier. Wissenschaftliche Schätzungen gehen davon aus, dass der Anteil inzwischen deutlich höher ist. Kritiker sind jedoch der Ansicht, dass die Nährstoffversorgung der Kinder unter der Ernährungsform leidet. Wie Dr. Jonathon Maguire erklärt, ist die Situation in Kanada ähnlich.
„In den letzten 20 Jahren haben wir eine wachsende Beliebtheit von pflanzenbasierten Ernährungsweisen beobachtet und eine sich verändernde Lebensmittelumgebung mit mehr Zugang zu pflanzlichen Alternativen wahrgenommen. Allerdings haben wir bisher keine Forschung zu den ernährungsphysiologischen Ergebnissen bei Kindern gesehen, die in Kanada vegetarische Diäten befolgen.“
Forscher um Dr. Maguire von der University of Toronto (UToronto) haben deshalb eine Studie mit nahezu 9.000 Kinder durchgeführt. Laut der Publikation im Fachmagazin Pediatrics sind Kinder, die sich vegetarisch ernähren, in Bezug auf Wachstum und Nährstoffversorgung nahezu identisch mit omnivoren Altersgenossen.
Es stellte sich heraus, dass Kinder mit vegetarischer Ernährung ähnliche Durchschnittswerte hinsichtlich des Körpermasseindex (BMI), der Körpergröße, der Eisen-, Vitamin D- und Cholesterinwerte aufwiesen wie ihre Altersgenossen, die Fleisch aßen. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass bei Kindern mit vegetarischer Ernährung fast eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit besteht, untergewichtig zu sein, was als unterhalb des dritten Perzentils für den BMI definiert wird. Es gab keine Anzeichen für einen Zusammenhang mit Übergewicht oder Fettleibigkeit.
„Diese Studie zeigt, dass kanadische Kinder, die eine vegetarische Ernährung befolgen, ähnliche Wachstums- und biochemische Ernährungsparameter aufweisen wie Kinder, die keine vegetarische Ernährung einhalten. Eine vegetarische Ernährungsweise war mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Untergewicht verbunden, was die Notwendigkeit einer sorgfältigen Ernährungsplanung für untergewichtige Kinder unterstreicht, wenn eine vegetarische Ernährung in Betracht gezogen wird.“
Untergewicht ist ein Hinweis auf eine Mangelernährung und kann darauf hindeuten, dass die Qualität der Kinderernährung nicht ausreicht, um das normale Wachstum zu unterstützen. Bei Kindern, die sich vegetarisch ernähren, betonten die Forscher die Wichtigkeit des Zugangs zu medizinischen Fachleuten, die eine Wachstumsüberwachung sowie Aufklärung und Anleitung zur Unterstützung ihres Wachstums und ihrer Ernährung bieten können. Insgesamt ist eine vegetarische Ernährung laut Dr. Maguire für die meisten Kinder geeignet.
„Pflanzenbasierte Ernährungsweisen werden aufgrund des erhöhten Verzehrs von Obst, Gemüse, Ballaststoffen, Vollkornprodukten und reduziertem gesättigten Fett als gesunde Ernährungsform anerkannt. Allerdings haben nur wenige Studien die Auswirkungen von vegetarischen Ernährungsweisen auf das Wachstum und den Ernährungsstatus von Kindern untersucht. Vegetarische Diäten scheinen für die meisten Kinder geeignet zu sein.“
Eine Einschränkung der Studie besteht laut den Autoren darin, dass die Qualität der vegetarischen Ernährungsweisen nicht bewertet wurde. Sie merken an, dass es viele verschiedene Formen von vegetarischer Ernährung gibt und dass die Qualität der individuellen Ernährung für Wachstum und ernährungsphysiologische Ergebnisse von großer Bedeutung sein kann. Die Autoren betonen, dass weitere Untersuchungen notwendig sind, um die Qualität von vegetarischen Ernährungsweisen im Kindesalter zu überprüfen, sowie die Wachstums- und Ernährungsergebnisse bei Kindern, die sich vegan ernähren, also Fleisch und tierische Produkte wie Milchprodukte, Eier und Honig meiden.
Pediatrics, doi: 10.1542/peds.2021-052598