Emissionen des Verkehrs

Verbleites Benzin reduzierte Intelligenz einer ganzen Generation

Robert Klatt

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In den U.S.A. hat verbleites Benzin zum Verlust von 824 Millionen IQ-Punkten geführt. Auch in Deutschland sind ähnliche Auswirkungen durch hohe Bleiblutwerte wahrscheinlich.

Durham (U.S.A.). Das Schwermetall Blei kann sich schleichend im Körper anreichern und so eine chronische Bleivergiftung auslösen. Diese wirkt sich primär auf das Gehirn und Nervensystem aus, kann aber auch Schäden an den Nieren und am Darm verursachen. Außerdem ist bekannt, dass bei Kindern bereits eine Belastung von 10 bis 20 Mikrogramm Blei pro Deziliter Blut zu psychomotorischen Störungen und einer verminderten Intelligenz führen kann.

Neben alten Bleileitungen und Industrieabgasen waren bleihaltige Treibstoffe eine Hauptquelle der Bleibelastung. Diese wurden von den 1920er- bis in die 1990er-Jahre verwendet und sorgten dafür, dass in der Nähe von vielbefahrenen Straßen die Luft bleihaltig war.

Effekte auf die Intelligenz?

Wissenschaftler der Duke University haben nun untersucht, wie viele Menschen von der Belastung durch verbleites Benzin betroffen waren und welche Effekte die bleihaltige Luft auf deren Gesundheit hatte. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin PNAS analysierten sie dazu Daten von mehreren Langzeitstudien, die die Gesundheit und das Blut von Kindern zwischen einem und fünf Jahren 1976 und 2016 untersucht hatten. Ebenso ermittelten die Forscher die Bleibelastung der Wohnorte der Kinder.

Diese Daten kombinierten die Wissenschaftler mit weiteren Studien, die die Effekte von erhöhten Blutbleiwerten auf die Intelligenz von Kindern untersucht haben. Mithilfe von historischen Statistiken zum Kraftstoffverbrauch konnte das Team so errechnen, wie viele der heute lebenden US-Amerikaner als Kinder eine erhöhte Bleibelastung ertragen mussten und wie sich dies auf ihre Intelligenz ausgewirkt hat.

170 Millionen US-Amerikaner betroffen

„Ehrlich gesagt war ich einfach schockiert. Und wenn ich mir die Zahlen anschaue, bin ich es immer noch, obwohl ich sie inzwischen kenne“, so Michael McFarland. Laut der Studien waren über 170 Millionen US-Amerikaner als Kinder so hohen Bleibelastungen ausgesetzt, dass dadurch die Entwicklung ihrer Intelligenz gehemmt wurde.

Vor allem zwischen 1951 und 1980 in den U.S.A. geborene Menschen haben die Grenzwerte für Blei im Blut demnach stark überschritten. „So hatten beispielsweise rund 78 Prozent der zwischen 1966 und 1970 geborenen Menschen in ihrer Kindheit Blut-Bleiwerte oberhalb von 15 Mikrogramm pro Deziliter. Ein signifikanter Anteil dieser Kohorten hatte sogar Blut-Bleiwerte von mehr als 30 Mikrogramm pro Deziliter“, erklären die Autoren.

2,6 IQ pro Kind verloren

Die Bleibelastung im Kindesalter hat pro Person zu einem Verlust von 2,6 IQ-Punkten geführt. Insgesamt hat die US-Bevölkerung 824 Millionen IQ-Punkte verloren. Diese kognitiven Verluste sind jedoch nicht gleichmäßig auf die Geburtsjahrgänge verteilt. „Am stärksten betroffen sind die Geburtskohorten von 1966 bis 1970 – rund 20,8 Millionen US-Bürger, die im Schnitt 5,9 IQ-Punkte pro Person verloren haben“, erklärt McFarland.

Einige Gruppen sogar sieben IQ-Punkte pro Person verloren, weil sie als Kinder auf dem Maximum der Luftverschmutzung lebten. In den angrenzenden Zeiträumen zum Höhepunkt der Luftverschmutzung lag der IQ-Verlust bei 5,7 bis 5,8 Punkten. „Wir können mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die große Mehrheit, der in den 1960er bis 1980er Jahren geborenen Menschen einen bedeutsamen IQ-Verlust durch die Bleibelastung erlitten hat“, konstatieren die Studienautoren. In den U.S.A. hat somit eine ganze Generation deutlich messbare Schäden durch verbleiten Kraftstoff erlitten.

Bildung, Beruf und sozialer Status

„Auf der individuellen Ebene können schon geringe Defizite im Intelligenz-Niveau das Leben eines Menschen beeinflussen“, erklären die Forscher. Besonders bei Menschen mit einem durchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen IQ kann schon ein geringer Verlust zu deutlichen Nachteilen bei der Bildung, im Beruf und im sozialen Status führen. Dies wirkt sich wiederum auf das Einkommen und das generelle Wohlbefinden der Menschen aus.

Zudem kann ein solcher IQ-Verlust sich auch auf das gesamte Land auswirken. „Frühere Studien, die von geringeren IQ-Einbußen ausgingen, haben die volkswirtschaftlichen Verluste für die USA auf 165 bis 319 Milliarden US-Dollar beziffert. Die Tatsache, dass unsere Resultate auf noch höhere Bleiwerte und IQ-Einbußen hindeuten, unterstreicht die Bedeutung“, erklärt McFarland.

Nachwirkungen halten an

Die Wissenschaftler sind daher der Ansicht, dass die Nachwirkungen des verbleiten Benzins noch immer anhalten. „Das Erbe dieser Bleibelastung beeinflusst damit noch heute das Wohlergehen und die Gesundheit des Landes“, so McFarland. Ähnliche Effekte existieren sehr wahrscheinlich auch in anderen Ländern, in denen es bereits ein hohes Verkehrsaufkommen gab, als noch verbleites Benzin verkauft wurden.

PNAS, doi: 10.1073/pnas.2118631119

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