Robert Klatt
Der Covid-Vektorimpfstoff von AstraZeneca enthält mehr als 1.000 Verunreinigungen. Diese könnten die Auslöser der teils starken Nebenwirkungen sein.
Ulm (Deutschland). Der Covid-Vektorimpfstoff von AstraZeneca stand in den letzten Monaten im Fokus der Presse, weil zu seinen Nebenwirkungen auch potenziell gefährliche Hirnvenenthrombosen gehören. Als Auslöser vermutet die Medizin eine durch das Vakzin induzierte Autoimmunreaktion. Nun haben Wissenschaftler der Universität Ulm den Preprint einer Studie im Fachmagazin Research Square veröffentlicht, laut dem Verunreinigungen des Impfstoffs die Auslöser der Nebenwirkungen sein könnten.
Das Team um Lea Krutzke analysierte im Rahmen der Studie die Inhaltsstoffe von drei Chargen des AstraZeneca-Impfstoffs im Details. Sie glichen dabei Proteinbanden der Vakzinproben mittels Silberfärbung und Gelelektrophorese mit denen eines von ihnen aufgereinigten Adenovirus-Vektors. Beim AstraZeneca-Impfstoff transportiert dieser modifizierte Adenovirus Erbgutbestandteile des neuartigen Coronavirus in die Körperzellen des Menschen, um dort eine Immunreaktion auszulösen.
„Das Bandenmuster im Proteingel hat sich in den beiden Proben deutlich unterschieden: Im Vergleich zu dem eigenen Adenovirus-Vektor wiesen die AstraZeneca-Proben deutlich mehr Proteinbanden auf, die nicht durch den adenoviralen Impfstoff erklärbar waren“, erklärt Stefan Kochanek. Auch bei der Massenbestimmung der Proteininhalte konnten die Wissenschaftler deutliche Unterschiede erkennen. Anstatt der erwartenden 12,5 Mikrogramm enthielten die AstraZeneca-Proben teilweise bis zu 32 Mikrogramm Proteine. Es sind demnach deutlich mehr Proteine im Impfmittel von AstraZeneca enthalten, als durch das Trägervirus vorhanden sein dürften.
Anschließend untersuchten die Wissenschaftler mittels Massenspektrometrie, um welche Proteine es sich handelt. Dabei entdeckten sie, dass das Vakzin mehr als 1.000 Proteine und Proteinfragmente enthält, die zu großen Teilen eigentlich nicht im Vakzin vorhanden sein dürften. In Abhängigkeit von der Charge stammte bis zur Hälfte dieser Verunreinigungen von Viren, die übrigen Proteinen stammten von menschlichen Zellen. Als mögliche Quelle vermuten die Forscher sehr wahrscheinlich Vorstufen der Adenoviren. Diese entstehen in der Produktion des Vakzins in Zellkulturen.
Unter den menschlichen Proteinen waren besonders häufig Hitzeschockproteine und Chaperone vorhanden. Diese werden vor allem bei Zellstress gebildet. „Die Mehrzahl der gefundenen Proteine dürfte keine negativen Auswirkungen auf Impflinge haben. Extrazelluläre Hitzeschockproteine sind jedoch bekannt dafür, dass sie angeborene und erworbene Immunantworten modulieren und bestehende Entzündungsreaktionen verstärken können. Sie wurden zudem auch schon mit Autoimmunreaktionen in Verbindung gebracht“, erklärt Kochanek.
Die Wissenschaftler halten es deshalb nicht für ausgeschlossen, dass die gefundenen Protein-Verunreinigungen die Ursachen der Nebenwirkungen sind. „Die intramuskuläre Injektion von Proteinen, die nicht Teil der aktiven Wirkprinzips des Vakzins sind, kann Effekte auf verschiedenen Ebenen hervorrufen. Einige dieser Proteine könnten mehr als nur inaktive Mitläufer sein“, erklären die Wissenschaftler. Es ist demnach möglich, dass die überschüssigen viralen Proteine die erwünschte Immunantwort abschwächen und dadurch die Schutzwirkung der Impfung verringern.
Denkbar ist aber auch, dass die Verunreinigungen die Ursache der Nebenwirkungen der Impfung sind oder diese zumindest verstärken. „Wir halten es für wahrscheinlich, dass die hier dokumentierten Protein-Verunreinigungen an den starken klinische Reaktionen mit grippeähnlichen Symptomen beteiligt sind, die häufig ein bis zwei Tage nach der Impfung beobachtet werden“, sagt Krutzke. Bei den gefundenen Hitzeschockproteine ist es überdies nicht auszuschließen, dass diese die für die Sinusvenenthrombosen verantwortliche Autoimmunreaktion fördern könnten.
„Die Vielzahl der gefundenen Verunreinigungen, von denen zumindest einige negative Effekte haben könnten, macht es nötig, den Herstellungsprozess und die Qualitätskontrolle des Impfstoffs zu überarbeiten. Dadurch ließe sich neben der Sicherheit womöglich auch die Wirksamkeit des Vakzins erhöhen“, konstatiert Kochanek.
Laut den Studienautoren ist die Entfernung aller Proteinreste der Zellkulturen in der Impfstoffproduktion normalerweise ein üblicher Qualitätsstandard. Im Falle von AstraZeneca sind diese Verunreinigungen aber nur schwer mit den herkömmlichen Tests nachweisbar. Es ist deshalb eine Optimierung der Qualitätskontrolle nötig.
Research Square, doi: 10.21203/rs.3.rs-477964/v1