Robert Klatt
Cannabiskonsumenten sind trotz des häufigen „Heißhungers“ im Mittel schlanker als Menschen, die die Droge nicht konsumieren. Eine Studie liefert nun eine Erklärung für dieses Paradoxon und offenbart eine gefährliche Nebenwirkung des Cannabiskonsums.
Irvine (U.S.A.). Bei Menschen, aber auch bei manchen Tieren, darunter laut einer Studie der University of Oregon (UO) Fadenwürmer (Caenorhabditis elegans), kommt es durch Cannabis zu einem erhöhten Appetit. Gesundheitsdaten zeigen, dass Cannabiskonsumenten im Mittel trotzdem ein geringeres Körpergewicht und ein reduziertes Risiko für Diabetes haben als Menschen, die die Droge nicht konsumieren.
Forscher der University of California haben nun eine Erklärung für dieses Paradoxon entdeckt. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Cell Metabolism beginnen viele Erwachsene, die täglich oder fast täglich Cannabis konsumieren, mit dem Drogenkonsum bereits in der Jugend. Während dieser Phase schneller körperlicher Entwicklung kann Cannabis Prozesse, die den Energiehaushalt steuern, stören.
Laut den Wissenschaftlern um Daniele Piomelli verursacht Cannabis molekulare Veränderungen in den Fettdepots des Körpers. Diese beginnen Proteine herzustellen, die normalerweise nur in Muskeln und dem Herzen vorkommen. Dadurch wird der Körper schlanker und weniger anfällig für Fettleibigkeit, aber auch weniger in der Lage, gespeicherte Nährstoffe für die Gehirn- und Muskelaktivität zu mobilisieren.
„Viel zu oft denken wir bei Cannabis nur an eine psychoaktive Droge, aber seine Auswirkungen erstrecken sich weit über das Gehirn hinaus. Der Hauptbestandteil, THC, ahmt eine Gruppe chemischer Botenstoffe nach, die als Endocannabinoide bezeichnet werden und wichtige Funktionen im gesamten Körper regulieren. Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Störung der Endocannabinoid-Signalgebung während der Adoleszenz die Funktion des Fettgewebes auf dauerhafte Weise beeinträchtigt, mit potenziell weitreichenden Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit.“
Entdeckt haben die Forscher dies bei Experimenten mit adolescenten Mäusen, die tägliche niedrige Dosen von Tetrahydrocannabinol (THC), einem psychoaktiven Cannabinoid, oder ein Placebo erhielten. Anschließend beendeten sie die Behandlung und führten eine gründliche Bewertung des Stoffwechsels der Mäuse durch, nachdem diese das Erwachsenenalter erreicht hatten.
Die Mäuse, die als Jugendliche mit THC behandelt wurden, aber nun drogenfrei waren, hatten eine reduzierte Fettmasse und erhöhte Muskelmasse. Sie waren teilweise resistent gegen Fettleibigkeit und Hyperglykämie, hatten eine höhere als normale Körpertemperatur und konnten keinen Brennstoff aus den Fettdepots mobilisieren. Mehrere dieser Merkmale werden auch bei Menschen beobachtet, die häufig Cannabis konsumieren.
Um diese Daten zu erklären, untersuchten die Forscher die molekularen Veränderungen ein, die durch THC verursacht wurden. Die Fettzellen der mit THC behandelten Mäuse sahen unter dem Mikroskop normal aus, produzierten jedoch große Mengen an Muskelproteinen, die normalerweise nicht im Fettgewebe vorkommen.
Die Muskeln hingegen produzierten weniger dieser Proteine. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass der Aufwand, der zur Produktion dieser fremden Proteine erforderlich ist, die gesunde Funktion der Fettzellen stört und somit deren Fähigkeit zur Speicherung und Freisetzung von Nährstoffen beeinträchtigt. Dies kann wiederum nicht nur die körperliche Aktivität, sondern auch mentale Prozesse wie Aufmerksamkeit beeinflussen, die auf einen gleichmäßigen Energiefluss zum Gehirn angewiesen sind.
Cell Metabolism, doi: 10.1016/j.cmet.2023.05.002