Synästhesie

Warum Synästhetiker Musik sehen können

 D. Lenz

Synästhesie: Wenn Menschen Musik sehen können. )moc.hsalpnueruhcnihC aytidA(Foto: © 

Bei etwa einem von 25 Menschen tritt Synästhesie auf. Diese Menschen verknüpfen Sinnenwahrnehmungen automatisch mit einer anderen. So sehen sie beim Musikhören beispielsweise Farben oder Formen. Wissenschaftler haben nun erste Hinweise auf den biologischen Ursprung der ungewöhnlichen Form der Sinneswahrnehmung gefunden.

Wundtlaan (Niederlande). Nicht wenige Menschen besitzen die ungewöhnliche Gabe, Sinnenwahrnehmungen automatisch mit anderen zu verbinden. So sehen diese Menschen, die auch als Synästhetiker bezeichnet werden, beispielsweise beim Hören von Musik verschiedene Farben oder geometrische Figuren vor dem inneren Auge. Die Fähigkeit kommt schätzungsweise bei einem von 25 Menschen in verschiedenen Ausprägungsstufen vor. Welche biologischen Gründe es dafür gibt, war jedoch bisher völlig unklar. Nun forschen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik und der University of Cambridge daran, dieses Geheimnis zu lüften. Die ersten Hinweise deuten auf biologische Ursachen auf molekularer Ebene hin.

Bisher bekannt war, dass Synästhesie bereits in der frühen Kindheit auftritt und seit mehr als 100 Jahren weiß man auch, dass diese Form der Wahrnehmung als Familienphänomen auftritt. So liegt es nahe, dass erblich bedingte Faktoren ein Grund für die Synästhesie sind.

Amanda Tilot, Genetikerin am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik meint dazu: „Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren deuten darauf hin, dass die Schaltkreise im Gehirn erwachsener Menschen mit Synästhesie etwas anders verschaltet sind als bei Menschen, die solche besonderen Sinnenverknüpfungen nicht erleben. Wir vermuten, dass ein Teil der Antwort in der genetischen Veranlagung der Menschen liegt.“

Untersuchungen ganzer Familien

Die Wissenschaftler berichten nun über neue genetische Anhaltspunkte für die biologischen Gründe der Synästhesie. Für ihre Studien haben die Wissenschaftler die DNA von drei Familien analysiert, in denen über mehrere Generationen Familienmitglieder beim Hören von Musik Farben sehen.

Mit neusten Methoden der Genomsequenzierung konnten die Wissenschaftler in den Familien genetische Varianten für Synästhesie identifizieren und nachvollziehen, wie diese von Generation zu Generation weitergegeben werden. Dabei fokussierten sich die Wissenschaftler besonders auf seltene DNA-Veränderungen, die die Art der Proteinkodierung durch die Gene beeinflussen und perfekt mit der Synästhesievererbung in den Familien übereinstimmen.

Es unterschieden sich zwar die markierten DNA-Varianten zwischen den Familien, aber eine Gemeinsamkeit fanden die Wissenschaftler dennoch: Eine Anreicherung von Genen, die an der Axonogenese und der Zellmigration beteiligt sind. Die Axonogenese ist ein elementarer Prozess, der es den Gehirnzellen ermöglicht, sich mit den richtigen Partnern zu verschalten.

Mehr als nur ein Gen

Simon Fisher, Direktor am Max-Planck-Institut und Leiter des aktuellen Forschungsprojekts, ergänzt: „Aus früheren Untersuchungen der Kollegen in Cambridge wussten wir, dass für diese verblüffende Eigenschaft nicht nur ein einzelnes Gen verantwortlich sein kann. Selbst wenn in mehreren Familien dieselbe Form von Synästhesie auftritt, gibt es dafür wahrscheinlich unterschiedliche genetische Erklärungen. Unsere Hoffnung war deshalb, dass uns die DNA-Daten Hinweise auf gemeinsame biologische Prozesse geben, also auf Faktoren, die an der Synästhesie beteiligt sind.“

Simon Baron-Cohen, Direktor am Autism Research Centre der Universität von Cambridge, fügt hinzu: Diese Studie enthällt, wie genetische Unterschiede – möglicherweise über eine veränderte Vernetzung im Gehirn – unsere Sinneserfahrungen beeinflussen können. Die Synästhesie ist damit ein eindeutiges Beispiel für Neurodiversität, die wir respektieren und schätzen sollten.“

Weitere Synästhetiker gesucht

Um die aktuellen Forschungsergebnisse noch besser nachvollziehen zu können, sucht das Team derzeit noch weitere Familien und Personen, die Lust haben an der Studie teilzunehmen. Mit diesem kurzen Test können Sie herausfinden, ob Sie eine der üblichen Formen von Synästhesie haben.

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