Robert Klatt
Die Fingerabdrücke des Menschen sind einzigartig und unterscheiden sich selbst bei eineiigen Zwillingen. Nun wurden die dafür verantwortlichen Prozesse identifiziert.
Edinburgh (Schottland). Die Fingerabdrücke des Menschen bestehen aus Wirbeln, Bögen und Schleifen, die von den Papillarleisten (Hautlinien) geformt werden. Sie entstehen bereits ab der zehnten bis zur 14. Schwangerschaftswoche und helfen unter anderem beim Greifen und Halten von Objekten. Weil die Muster auf den Fingerkuppen einzigartig sind, werden sie bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zur Identifizierung von Personen verwendet.
Wieso sich die Fingerabdrücke des Menschen so stark unterscheiden, dass die Daktyloskopie sogar eineiigen Zwillingen voneinander unterscheiden kann, konnte die Wissenschaft bisher nicht vollumfänglich erklären. Laut einer Publikation im Fachmagazin Cell aus dem Jahr 2021 haben Forscher einige Gene identifiziert, die die Bildung von Fingerabdrücken beeinflussen. Die biochemischen Prozesse waren hingegen noch unbekannt.
Wissenschaftler der University of Edinburgh um den Genetiker Denis Headon haben nun eine Studie publiziert, die zeigt, welche speziellen Signalmoleküle die Musterbildung der Haut beeinflussen. Laut der Publikation im Fachmagazin Cell wird die Struktur eines Fingerabdrucks maßgeblich durch die anatomischen Besonderheiten der Finger bestimmt.
Die prägenden Linien des Fingerabdrucks nehmen ihren Ursprung an drei spezifischen Stellen des Fingers, an der Spitze, in der Mitte der Fingerkuppe sowie an der Grenzlinie zwischen Fingerkuppe und dem mittleren Fingergelenk. Es entstehen so wellenförmigen Mustern, die sich von diesen variablen Startpunkten aus entwickeln. Dies erklärt, warum individuelle Fingermerkmale wie Breite und Länge entscheidenden Einfluss auf die Ausprägung des Fingerabdrucks haben.
„Die Rillenbildung erfolgt als eine Reihe von Wellen, die sich von variablen Initiationsstellen ausbreiten.“
Im Rahmen der Studie wurde zudem aufgedeckt, dass die drei Signalmoleküle EDAR, WNT und BMP die Entwicklung von Fingerabdrücken beeinflussen. Diese Moleküle übermitteln spezifische Informationen an die Zellen in den Fingerkuppen, die sowohl das Wachstum der Fingerrillen als auch deren Anordnung und Abstand zueinander steuern.
Interessanterweise wirken die Moleküle WNT und BMP in gegensätzlicher Weise. Während eines die Entstehung der feinen Linien fördert, ist das andere für die Bildung der Erhebungen in der Haut verantwortlich. Das dritte Molekül EDAR unterstützt nicht nur die Entstehung der Furchen, sondern beeinflusst auch den Abstand zwischen den Rillen.
Diese Wechselwirkungen aktivieren den sogenannten Turing-Mechanismus, ein Prinzip, das spontane Musterbildungen in selbstorganisierenden Systemen beschreibt. Ähnliche Muster, wie sie bei den Fellzeichnungen von Zebras oder Giraffen zu beobachten sind, entstehen ebenfalls durch diesen Mechanismus.
Cell, doi: 10.1016/j.cell.2021.12.008
Cell, doi: 10.1016/j.cell.2023.01.015