Robert Klatt
Hoher Zuckerkonsum, mangelnde Mundhygiene und unregelmäßige Prophylaxebehandlungen haben dazu geführt, dass weltweit 3,5 Milliarden Menschen unter Zahn- und Mundproblemen leiden.
London (England). Laut Richard Watt vom University College London (UCL) ist „die Zahnmedizin in der Krise.“ Dies zeigt sich laut einer Studie der Wissenschaftler, die im Fachmagazin The Lancet publiziert wurde, vor allem an 3,5 Milliarden Menschen, die Probleme mit ihren Zähnen haben. Die britischen Experten sehen als Auslöser dafür die mangelnde Mundhygiene und zu unregelmäßige oder gar nicht erfolgende Prophylaxebehandlungen. Im Vordergrund der Zahnmedizin steht laut den Autoren der Studie hingegen die Behandlung akuter Probleme, also ein Eingreifen an einem Punkt, an dem es dafür eigentlich schon zu spät ist.
Zu den häufigsten Beschwerden der 3,5 Milliarden betroffenen Personen gehören Karies, Zahnfleischerkrankungen, Parodontitis und Mundkrebs. Die Probleme beschränken sich dabei nicht nur auf Entwicklungs- und Schwellenländern, sondern treffen auch hoch entwickelte Industrienationen wie Deutschland, wo laut einer aktuellen Studie der Krankenkasse Barmer je nach Region bis zu einem Drittel aller Versicherten nicht regelmäßig zahnärztliche Prophylaxebehandlungen nutzen. Als zusätzliche Ursache für die schlechte Versorgung der Bevölkerung sehen die britischen Forscher die Abkopplung der Zahnmedizin von der übrigen Gesundheitsversorgung.
Laut Stefan Listl, Co-Autor der Studie, sind in Deutschland vor allem Personen aus niedrigen Bildungsschichten von Zahnproblemen betroffen. Als Ursache dafür sieht der Wissenschaftler aus dem Bereich Gesundheitsökonomie ebenfalls die mangelnde Bereitschaft zur Teilnahme an Prophylaxebehandlungen, die in Deutschland in vielen Fällen durch die gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
Eine Studie des Markt- und Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigt, dass in Deutschland trotz der bereits guten Grundversorgung 11 Prozent aller Personen zwischen 18 und 59 Jahren konkret darüber nachdenken, eine private Krankenzusatzversicherung abzuschließen. 19 Prozent gaben zumindest an, Interesse an einer weiteren Versicherung zu haben. Auch die Anzahl der Personen, die über eine Zusatzversicherung verfügen, zeigt, dass in Deutschland die Bereitschaft hoch ist in die eigene Gesundheit zu investieren. Innerhalb des Zeitraums von 2013 bis 2015 ist der Anteil der Personen, die eine private Zusatzversicherung besitzen, von 20 Prozent auf 23 Prozent angestiegen. Den höchsten Anteil daran haben Zahnzusatzversicherung, gefolgt von Auslandsreiseversicherung.
Als Hauptursache für die steigende Anzahl von Zahnerkrankungen sehen sowohl die Wissenschaftler vom UCL als auch Wissenschaftler der New York University den hohen Zuckerkonsum. Besonders bei Sportgetränken sorgt dieser in Kombination mit dem oft hohen Zitronensäuregehalt dafür, dass der Zahnschmelz schneller abgenutzt wird und die Zähne unter Überempfindlichkeit leiden.
Die Wissenschaftler warnen außerdem davor, die Zähne unmittelbar, nachdem Verzehr entsprechender Getränke zu putzen, da die durch die Zitronensäure aufgeweichte Oberfläche durch die mechanische Belastung angegriffen werden kann. Laut den Ergebnissen der Studie ist eine Wartezeit von mindestens 30 Minuten empfehlenswert, um die unmittelbaren Folgen zu verringern und die übermäßige Abnutzung der Zähne durch das Putzen zu vermeiden.
The Lancet, doi: 10.1016/S0140-6736(19)31146-8