Konsequenzen für Hirnforschung

Zombie-Gene werden nach dem Tod im Gehirn aktiv

Robert Klatt

Gehirn mit aktiven "Zombie-Genen" (Symbolbild) )kcotS ebodAluap(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • In den Gliazellen gibt es "Zombie-Gene", deren Aktivität nach dem Herztod zunimmt
  • Diese Erkenntnisse bedeuten, dass die Hirnforschung Gewebeproben anders interpretieren muss

Im Gehirn gibt es „Zombie-Gene“, deren Aktivität nach dem Tod stark zunimmt. Die neuen Erkenntnisse haben starke Konsequenzen für die Hirnforschung, die Behandlungsmöglichkeiten für Schizophrenie, Autismus, Alzheimer und andere Krankheiten sucht.

Chicago (U.S.A.). Die meisten Studien gehen davon aus, dass sämtliche Gehirnfunktionen enden, wenn das Herz des Menschen nicht mehr schlägt. Eine Studie von Forschern der University of Illinois Chicago (UIC) um Dr. Jeffrey Loeb zeigt nun, dass diese Annahme nicht korrekt ist und dass die Gehirnforschung deshalb möglicherweise Daten anders interpretieren muss.

„Die meisten Studien gehen davon aus, dass alles im Gehirn aufhört zu schlagen, wenn das Herz aufhört zu schlagen, aber das ist nicht der Fall. Unsere Ergebnisse werden für die Interpretation der Forschung an menschlichem Hirngewebe benötigt. Wir haben diese Veränderungen bisher nur noch nicht quantifiziert.“

Laut der Publikation im Fachmagazin Scientific Reports nimmt die Aktivität einzelner Zellen des Gehirns nach dem Tod deutlich zu. Die Zellaktivität im menschlichen Gehirn endet also deutlich später, als in der Medizin bisher weithin angenommen wurde.

Genexpression von Hirngewebe untersucht

Entdeckt haben dies Forscher mithilfe von frischem Hirngewebe, das Menschen bei Routine-Operationen entnommen worden war. Das Team um Loeb analysierte die Genexpression dieser Proben zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach der Entnahme. Sie konnten so die Entwicklungen im Gehirn nach dem Tod simulieren.

„Wir beschlossen, ein Experiment mit simuliertem Tod durchzuführen, indem wir die Expression aller menschlichen Gene zu Zeitpunkten von 0 bis 24 Stunden an einem großen Block kürzlich entnommenen Hirngewebes untersuchten, das bei Raumtemperatur gelagert wurde, um das Postmortem-Intervall zu replizieren.“

Aktivität in den Gliazellen nimmt zu

Dabei stellten sie fest, dass bei einzelnen sogenannten „Zombie-Genen“ in den Gliazellen die Aktivität nach dem Tod deutlich zunimmt. Es kommt dadurch zu einem starken Wachstum der Zellen, die dabei arm-artige Fortsätze bilden.

„Dass sich Gliazellen nach dem Tod vergrößern, ist nicht allzu überraschend, da sie entzündungsfördernd sind und ihre Aufgabe darin besteht, nach Hirnverletzungen wie Sauerstoffmangel oder Schlaganfall aufzuräumen.“

Konsequenzen für die Hirnforschung

Obwohl die Entdeckung der hohen Aktivität in den Gliazellen nicht überraschend ist, hat diese Konsequenzen für die Hirnforschung. Viele Studien untersuchen mittels Hirngewebe Behandlungsmöglichkeiten für Autismus, Schizophrenie oder Alzheimer. Dabei werden mögliche Veränderungen des Organs nach dem Tod bisher aber nicht einkalkuliert.

Die nun veröffentlichten Studiendaten zeigen, wie sich Gen- und Zelltypen nach dem Tod verhalten. Etwa 80 Prozent der untersuchten Gene weisen demnach bis zu 24 Stunden nach dem Tod eine stabile Aktivität auf, darunter auch Haushälter-Gene, die die zellulären Funktionen überwachen.

„Unsere Ergebnisse bedeuten nicht, dass wir Programme zur Erforschung von menschlichem Gewebe aufgeben sollten. Sie bedeuten nur, dass die Forscher diese genetischen und zellulären Veränderungen berücksichtigen und das Post-mortem-Intervall so weit wie möglich verkürzen müssen, um das Ausmaß dieser Veränderungen zu verringern. Die gute Nachricht unserer Ergebnisse ist, dass wir jetzt wissen, welche Gene und Zelltypen stabil sind, welche sich abbauen und welche im Laufe der Zeit zunehmen, sodass die Ergebnisse von postmortalen Hirnstudien besser verstanden werden können.“

Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-021-85801-6

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