Robert Klatt
In Deutschland leiden vielen Menschen unter Arbeitssucht. Betroffen sind vor allem Führungskräfte, Selbstständige und Berufseinsteiger.
Braunschweig (Deutschland). Laut einer Studie der Technischen Universität Braunschweig und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), die von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (HBS) gefördert wurde, sind in Deutschland etwa zehn Prozent der Berufstätigen arbeitssüchtig. Die im Fachmagazin Arbeit publizierte Studie basiert auf repräsentative Daten von 8.010 Menschen aus den Jahren 2017 und 2018.
Am größten ist der Anteil der exzessiv und zwanghaft arbeitenden Menschen unter Führungskräften (12,4 %). Bei Erwerbstätigen in niedrigeren Positionen leiden deutlich weniger Menschen unter der Sucht (8,7 %). „Unter den Führungskräften ist zwanghaftes Arbeiten zudem umso stärker ausgeprägt, je höher die Führungsebene“, so die Autoren.
Wie die Wissenschaftler erklären, können Erwartungen der Unternehmen „Anreize für arbeitssüchtiges Verhalten“ setzen, etwa dann, wenn von einer Führungskraft erwartet wird, als Erstes zu kommen und als Letztes zu gehen.
Eine Arbeitssucht liegt vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt werden:
Wenn Arbeitssüchtige nicht mit ihrer Arbeit beschäftigt sind, können wie bei anderen Süchten Entzugserscheinungen auftreten. Unter den Umfrageteilnehmer arbeitet ein Drittel (33 %) laut eigenen Angaben exzessiv, aber nicht zwanghaft. Mehr als die Hälfte (54,9 %) ist auf der Arbeit meist gelassen. Menschen, die zwar zwanghaft aber nicht viel arbeiten, sind eine Minderheit.
Die Studiendaten offenbaren zudem, dass Arbeitssucht in den verschiedenen Branchen unterschiedlich stark verteilt ist. Am häufigsten betroffenen sind Personen, die in der Land-, Forst-, Tierwirtschaft sowie Gartenbau arbeiten (19 %). Am seltensten tritt Arbeitssucht bei Erwerbstätige in den Bereichen Informatik, Naturwissenschaft und Geografie auf (6 %). Am höchsten ist die Workaholic-Quote bei Selbstständigen (13,9 %). Zudem gibt es deutliche unterschiede zwischen den Altersgruppen. Unter den 15- bis 24-Jährigen ist der Anteil der Arbeitssüchtigen (12,6 %) deutlich höher als bei den 55- bis 64-Jährigen (7,9 %).
Außerdem ist Arbeitssucht in Großbetrieben seltener als in kleinen Unternehmen. Laut den Autoren ist dafür die stärkere Regulierung verantwortlich. In Unternehmen ohne Mitbestimmung ist Arbeitssucht häufiger als in Unternehmen ohne Mitbestimmung. Ein Betriebsrat kann demnach dabei helfen, eine Arbeitssucht zu verhindern.
Arbeit, doi: 10.1515/arbeit-2022-0015