Robert Klatt
Die Atomenergie wird oft als Ersatz für fossile Energieträger betrachtet, um die CO₂-Emissionen zu reduzieren. Eine Studie zeigt nun, dass dies aus ökonomischer Perspektive nicht sinnvoll ist.
Berlin (Deutschland). In den kommenden Jahren möchte Deutschland seine klimaschädlichen CO₂-Emissionen deutlich reduzieren. Manche Politiker fordern deshalb eine weitere Laufzeitverlängerung der bestehenden Atomkraftwerke, obwohl diese laut einer Studie keine sinnvolle Alternative zur Stromerzeugung per Wind-, Wasser- und Solarenergie sind. Im Gegenzug sollen Kohle-, Gas- und Ölkraftwerke vom Netz genommen werden.
Wissenschaftler der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) haben nun im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion (PDF) untersucht, ob eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke oder sogar ein Neubau weiterer Atomkraftwerke aus ökonomischer Perspektive sinnvoll wäre.
Laut der Studie ist Atomkraft im Vergleich zu anderen Methoden zur Stromerzeugung deutlich zu teuer.
„Eine Gesamtbewertung des Systems Atomkraft ergibt heute dasselbe Ergebnis wie auch in den letzten Jahrzehnten: Selbst bei Vernachlässigung externer Kostenfaktoren ist der Bau und der Betrieb von Kernkraftwerken nicht ökonomisch, und es gab und gibt kostengünstigere Alternativen.“
Die Atomkraft war bereits in den 1950er-Jahren „beinahe sechsmal teurer als damalige konventionelle Energie“ und damit eine der teuersten Energieformen. Weil die Sicherheitsanforderungen anlässlich der Unfällen in den folgenden Jahrzehnten deutlich angehoben wurden, sind die Investitionskosten bei Kernkraftwerken mit der Zeit nicht gesunken, sondern deutlich gestiegen.
Auch in Bezug auf Neubauprojekte im Bereich der Atomkraft äußern sich Forscher skeptisch. Die wenigen aktuellen Neubauprojekte in Europa und den USA sind von erheblichen Verzögerungen und Kostenüberschreitungen geprägt, wie beim Kernkraftwerk Olkiluoto in Finnland oder Flamanville in Frankreich. Diese Projekte weisen aufgrund der anfallenden Investitionskosten um ein Vielfaches höheren Werten als betriebswirtschaftlich rentable Werte auf.
Die Autoren der Studie argumentieren, dass der Weiterbetrieb bestehender Kernreaktoren aus wirtschaftlicher Perspektive nicht zu rechtfertigen sei. Beispiele aus den USA und Frankreich verdeutlichen, dass ältere Kernkraftwerke im Vergleich zu anderen Energiequellen nicht wettbewerbsfähig sind und lediglich durch Subventionen am Betrieb gehalten werden können. In Deutschland wäre eine Verlängerung der Laufzeit von Kernreaktoren über den April 2023 hinaus nur unter Verstaatlichung der kommerziellen Risiken möglich gewesen.
Die vorliegende Studie schlussfolgert, dass erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie heutzutage um ein Vielfaches kosteneffizienter sind als Kernenergie. Modellrechnungen zeigen, dass ein kompletter Übergang zu erneuerbaren Energien technisch möglich und ökonomisch kostengünstig ist. Allerdings hat Deutschland laut Umweltbundesamt im Jahr 2022 erst 20 Prozent des Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen gedeckt, was lediglich einen Anstieg um 1,2 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr darstellt.