Robert Klatt
In Deutschland könnte ab dem Jahr 2030 mehr als ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung stehen, wenn die Regierung die politischen Rahmenbedingungen anpasst. In Kombination mit erneuerbaren Energien wäre so eine unabhängige Energieversorgung möglich.
Bonn (Deutschland). Im Kontext des Kriegs in der Ukraine, der Deutschland die hohe Abhängigkeit von russischen Kohle- und Gasimporten erneut schmerzlich verdeutlicht hat, hat die Bundesregierung das Ziel formuliert, die Energieversorgung früher als ursprünglich geplant unabhängig zu machen. Dies kann laut Studien jedoch nur gelingen, wenn alle Optionen und relevanten Technologien gemeinsam eingesetzt werden. Neben Wasser, Solar- und Windkraft spielt auch Wasserstoff eine unverzichtbare Rolle darin, die Energieversorgung der Zukunft in Deutschland abzusichern.
Eine Studie des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW) zeigt nun, dass Wasserstoff entgegen vieler Annahmen in den kommenden Jahren keine Mangelware bleiben muss. Die von Frontier Economics durchgeführte Studie belegt, dass bereits ab dem Jahr 2030 der Bedarf an Wasserstoff mehr als gedeckt werden kann, wenn entsprechende politische Rahmenbedingungen geschaffen werden. Untersucht wurde in der Studie die mittel- und langfristige Verfügbarkeit des klimaneutralen Gases anhand verschiedener Szenarien.
Laut den Ergebnissen können bereits im Jahr 2030 290 Terawattstunden (TWh) CO2-armer bis klimaneutraler Wasserstoff bereitstehen. Mehr als die Hälfte (60 %) davon, könnte grüner Wasserstoff sein, der in Deutschland oder anderen europäischen Ländern per Elektrolyse erzeugt wird. Die aktuelle Nachfrageprognose des Nationalen Wasserstoffrat geht zu diesem Zeitpunkt nur von einem Bedarf von maximal 110 TWh aus.
Bis zum Jahr 2045 könnten in Deutschland 110 TWh grüner Wasserstoff zur Verfügung stehen. Damit könnte ein großer Teil der Industrie, Fahrzeuge sowie Gebäude mit Energie versorgt werden. Langfristig sollen sogar bis zu 2.000 TWh grüner Wasserstoff pro Jahr verbraucht werden können, wenn dieser zum Beispiel aus Ländern Nordafrikas importiert wird. Dies ist etwa die doppelte Energiemenge, die ein klimaneutrales Deutschland laut Berechnungen bräuchte.
„Das Argument, Wasserstoff sei der Champagner der Energiewende, ist somit widerlegt. Mit politischem Willen und den notwendigen Weichenstellungen können über die deutschen Verteilnetze ausreichende Mengen für alle Sektoren zur Verfügung stehen – für die Industrie und auch für die über 20 Millionen Haushalte, die heute mit Gas heizen. Es sollten also alle Sektoren für die Anwendung von Wasserstoff berücksichtigt werden“, erklärt der DVGW-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Gerald Linke.
Linke unterstreicht somit die große Chance, die eine Diversifizierung der Energiequellen in Bezug auf die Versorgungssicherheit ist. Laut ihm ist Deutschland dank seiner guten Infrastruktur bereits jetzt für die Transformation gut aufgestellt. Zudem sind auch schon viele wasserstofftaugliche Endgeräte entwickelt, die genutzt werden könnten, wenn mehr grüner Wasserstoff verfügbar ist.
Zu schaffen ist die Umstrukturierung des Energiesystems jedoch nur, wenn sowohl die erneuerbaren Energien als auch die klimafreundlichen Gase gemeinsam verwendet werden. Anders können die enormen Energiemengen, die die fossilen Rohstoffe aktuell bereitstellen, nicht ersetzt werden. „Bei der Energiewende sollten neben der direkten Elektrifizierung auch die Importoptionen großer Mengen an erneuerbarer Energien durch Wasserstoff als Chance erkannt werden. Im Zusammenspiel mit grünen Elektronen bietet Wasserstoff eine zukunftsfähige und bezahlbare Lösung für alle Anwendungen. Nicht nur technische Ansätze sind wichtig, auch die Sozialverträglichkeit müssen wir im Blick behalten“, konstatierte Linke.