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Der vom Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung sowie der Universität Bremen durchgeführte Glücksspiel-Survey 2023 soll einen wichtigen Beitrag zur Gewinnung von Erkenntnissen über die deutschlandweite Glücksspielteilnahme leisten. Alle zwei Jahre werden die Daten erhoben und zur potenziellen Neuausrichtung von Schutzmaßnahmen herangezogen. Kritiker wie der Deutsche Sportwettenverband werfen der Studie fehlende Objektivität vor.
Die Basis der kürzlich veröffentlichten Studie sind Befragungen in der Bundesrepublik Deutschland. Teilnehmer sind deutschsprachige Bevölkerungsmitglieder zwischen 16 und 70 Jahren, die mindestens einen Mobilfunkanschluss haben oder bei einem Umfrageportal im Internet angemeldet sind. Erfasst wurden die Interviews im Jahr 2023 während der Monate August und Oktober. Um glücksspielbasierende Probleme zu ermitteln, wurden die Kriterien des DSM (diagnostisch-statistisches Manual) herangezogen. Bereits beim letzten Survey 2021 wurde Kritik bezüglich der angewandten Methodik laut, allerdings gab es bis 2023 keine nennenswerte Veränderung. Was die Hauptkritikpunkte sind und was die Studie ergab, zeigt der nachfolgende Bericht.
Wie objektiv ist eine Studie, deren Ergebnis auf Basis von Umfragen hochgerechnet wird? Diese Frage stellt sich unter anderem die Deutsche Automatenwirtschaft, wie der Sprecher des Unternehmens bekannt gab. Der Vorgang war bereits 2021 in die Kritik geraten. Gegner der Methodik werfen den Forschern vor, kein zuverlässiges Ergebnis zu generieren. So gehen Kritiker davon aus, dass Hochrechnungen auf Basis von einzelnen Interviews nicht stichhaltig genug für einen Gesamtüberblick seien. Dem Team des Glücksspiel Survey 2023 wird vorgeworfen, keine fundierte Bewertung zu ermöglichen, was wiederum die Tauglichkeit als Instrument zur Anpassung gesetzlicher Regelungen reduziert. Für das Jahr 2025 ist noch einmal ein weiterer Survey geplant, er wird abermals durch die gleichen Initiatoren umgesetzt. Im Hinblick auf die Neuevaluierung des Glücksspielstaatsvertrags im Jahr 2026 ist es aus Sicht der Kritiker umso wichtiger, das Konzept des Survey zu überdenken und neu auszurichten.
Bei der Auswertung der am häufigsten genutzten Glücksspiel steht LOTTO 6 aus 49 nach wie vor an erster Stelle. In den 12 Monaten vor Umfrageteilnahme hatte jeder fünfte Befragte mindestens einmal an einer Lotterieauslosung teilgenommen. Das entspricht einem Anteil von 19,8 Prozent. Zweitplatziert war die Teilnahme an der Lotterie EuroJackpot, die auf einen Gesamtanteil von 13 Prozent kam.
Die reine Teilnahme an einem Online Casino lässt sich nicht präzisieren, da Sportwetten, die Lotterie KENO sowie Casino- und Automatenspiele zusammengefasst und als riskante Glücksspielformen gewertet wurden. Der nutzende Anteil lag laut Studie bei 6,9 % in der Gesamtbevölkerung.
Bei den risikobehafteten Glücksspielvarianten erfüllten laut Glücksspiel Survey 2023 6,1 % der Umfrageteilnehmer mindestens eins und maximal drei der Kriterien des zur Auswertung genutzten DSM-5.
Hierzu gehören:
Personen, die zwischen ein und drei der Kriterien erfüllen, können nicht von der Gefahr ausgeschlossen werden, riskantes Glücksspiel ist möglich.
Von einer glücksspielbezogenen Sucht wird gemäß der Kriterien gesprochen, wenn mehr als drei Merkmale erfüllt werden. Hiervon sollen 2,4 Prozent der befragten Personen zwischen 18 und 70 Jahren betroffen sein. Eine leichte Störung weisen den Ergebnissen zufolge 1,0 Prozent auf, mittlere und schwere Störungsbilder zeigen sich bei 0,7 Prozent. Auch die Geschlechtsverteilung wurde ermittelt. So erkranken mit einem Anteil von 3,2 Prozent mehr Männer als Frauen (1,4 Prozent) an einer Glücksspielsucht.
In einer Reportage des ZDF wurden die Risiken des Glücksspiels genauer beleuchtet. Das nachfolgende Video zeigt unter anderem Berichte betroffener Personen, die sechsstellige Summen beim Glücksspiel verspielt hatten:
Statistiken und Prognosen zeigen ein deutliches Wachstum der Umsätze durch Online-Glücksspiel-Angebote, die laut Studie als besonders riskant eingestuft wurden.
In Zahlen sieht die 12-Monatsprävalenz wie folgt aus:
Häufigkeit des Glücksspiels laut Glücksspiel Survey 2023:
Der Anteil an stationären Glücksspielern ist mit 17,3 Prozent nach wie vor hoch. Nur rund jeder zehnte Befragte (10,7) gab an, ausschließlich online zu spielen, bei 7,8 Prozent wurde hybride Nutzung angegeben. Jüngere Teilnehmer der Studie interessierten sich eher für Onlinespiele, während ältere Personen das stationäre Angebot bevorzugten.
Im direkten Vergleich zwischen 2021 und 2023 zeigte sich, dass sich das Glücksspielverhalten der Bevölkerung kaum verändert hatte. Weiterhin ist LOTTO 6 aus 49 die am häufigsten genutzte Glücksspielform, die Prävalenzen des riskanten Spiels sind unter 8 Prozent geblieben. Bei Sportwetten und Online-Automaten konnte sogar ein leichter Rückgang im Vergleich zu 2021 verzeichnet werden.
Die Kritiken tauchten nicht erst nach dem Glücksspiel Survey 2023 auf, schon 2021 gerieten die Durchführenden der Studie unter Beschuss. Es wird von methodischen Fehlern bei der Auswertung sowie der Datenerhebung gesprochen, die nach Aussage zahlreicher Kritiker keine Basis für weitreichende politische Entscheidung sein dürften.
In einem statistischen Gutachten ging man davon aus, dass die Anzahl des problematischen Glücksspiels in Deutschland deutlich zu hoch liege. Georg Stecker, der als Sprecher der DAW auftritt, betonte deutlich, dass er den wissenschaftlichen Diskurs mit Glücksspieldaten befürworte. Ihm sei daran gelegen, dass die erhobenen Daten valide und gesichert zur Verfügung stehen.
Nicht viel anders lautet der Tenor jetzt, nach Veröffentlichung des zweiten Glücksspiel Surveys. Man wirft den Studienerstellern vor, nicht auf die Kritik von 2021 gehört zu haben. Das Befragungs-Design hatte sich nicht verändert, sodass erneut die Aussagekraft infrage gestellt wird. Genau diese ist aber wichtig, um den Fokus auf effektiven Schutz zu lenken und bestmögliche Maßnahmen zu etablieren.
Seitens des Deutschen Sportwettenverbands äußerte man Unverständnis. Obwohl die Statistikerin Katharina Schüller im Jahr 2021 methodische Kritik am Konzept äußerte, beharrte man bei der Studienerstellung auf die bisher genutzten Methoden.
Die Autoren müssen sich die Frage der Verbände gefallen lassen, warum wissenschaftliche Einwände ignoriert wurden. Durch den DSWV wird eine grundlegende Überprüfung der zugrundeliegenden Methodik gefordert, um die wissenschaftliche Basis der Studienergebnisse zu ermitteln.
In einem 140-seitigen Gutachten wurden unter anderem folgende Punkte (2021 und jetzt auch 2023) bemängelt:
Die Gutachtenersteller wünschten sich bereits 2021 eine sachlich-neutrale Diskussion, um eine wissenschaftlich basierte Glücksspielregulierung in Deutschland zu ermöglichen. Ähnlich äußerten sich auch Mitglieder der Branche.
Der generelle Tenor zeigt, dass eine wissenschaftliche Datenerhebung gewünscht ist, sofern die Methodik dahinter nachvollziehbar und zutreffend ist. Diese Eigenschaften werden dem Glücksspiel Survey 2023 abgesprochen, ähnlich wie schon zwei Jahre zuvor bei der Datenerhebung im Jahr 2021.
Eine Erhebung zum Glücksspiel wird nicht erst seit 2021 durchgeführt, allerdings hatten sich die Zuständigkeitsbereiche in der Vergangenheit geändert. Vor 2021 (bis zum letzten Survey im Jahr 2019) wurde die wiederkehrende Studie durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durchgeführt.
Der Forschungsauftrag wurde an das ISD und die Universität in Bremen weitergegeben. Simone Borchardt (CDU) stellte in ihrer Rolle als Suchtexpertin die Neutralität der durchgeführten Survey 2023 infrage.
Im Jahr 2025 liegt der Auftrag zum nächsten Glücksspiel Survey noch einmal beim ISD und der Bremer Hochschule. Bislang ist unbekannt, ob die zweite Kritikwelle (nach 2021) nun dazu führt, dass die Studiendurchführung noch einmal unter die Lupe genommen wird.