Robert Klatt
Die Steuern werden von vielen Unternehmen in Deutschland als zu hoch empfunden. Die Umfrageteilnehmer sind außerdem der Ansicht, dass der Staat mit den Steuern nicht verantwortungsvoll umgeht.
Berlin (Deutschland). Steuern sind einer der wichtigsten Standortfaktoren für die Ansiedlung von Unternehmen. Wird das lokale Steuersystem als zu komplex oder ungerecht empfunden oder sind die Steuern zu hoch, verhindert dies die Gründung neuer Unternehmen vor Ort und fördert die Abwanderung. Wissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin), der Universität Paderborn und der Freien Universität Berlin haben im Rahmen des Sonderforschungsbereichs TRR 266 Accounting for Transparency deshalb anhand einer Umfrage untersucht, wie Unternehmen das deutsche Steuersystem wahrnehmen und wie dies ihren Alltag und ihre Entscheidungen beeinflusst.
Teilgenommen haben 657 überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) aus Deutschland, mit Schwerpunkten in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Ein Großteil der Umfrageteilnehmer bewertete sowohl den steuerlichen Verwaltungsaufwand als auch die Steuerlast als vergleichsweise hoch. Außerdem sind viele Unternehmen der Ansicht, dass der Staat mit den Steuern nicht verantwortungsvoll umgeht.
Im Mittel liegt die Unternehmensteuerlast laut den Befragten bei 36 Prozent. Sie ist damit zwar geringer als die Steuern der Arbeitnehmer, bei denen Deutschland laut der OECD Weltmeister ist, werden aber trotzdem als deutlich zu hoch empfunden. Angemessen wäre laut den Befragten eine Steuerlast von 23 Prozent.
Drei Viertel der Befragten ist außerdem der Ansicht, dass ihre Steuerlast, über der von ausländischen Konkurrenten liegt. „Diese relativ große Diskrepanz zwischen der angegebenen und der als angemessen empfundenen Steuerlast lässt natürlich aufhorchen. Denn Wahrnehmungen beeinflussen Entscheidungen. Eine als zu hoch empfundene Steuerlast könnte zum Beispiel dazu führen, dass Unternehmen weniger investieren“, erklärt Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane.
Ein Großteil der Umfrageteilnehmer gab außerdem an, dass sie ihre Investitionstätigkeiten ausbauen würden, wenn die Steuerlast geringer wäre. Hinter Sonderabschreibungen aber vor Investitionsabzugsbetrag liegen Steuersenkungen damit auf dem zweiten Platz der wichtigsten Maßnahmen zur Investitionsförderung in Deutschland.
„Das sind interessante Ergebnisse. Immerhin sind Investitionen insbesondere in Krisenzeiten – wie jetzt in der Coronapandemie – ein wichtiges Instrument, um die Wirtschaftslage zu verbessern“, erklärt Prof. Dr. Ralf Maiterth.
Neben der Höhe der Abgaben sehen die Unternehmen auch den steuerlichen Verwaltungsaufwand als zu hoch an. Die Umfrageteilnehmer schätzten, dass unabhängig von der Rechtsform und Unternehmensgröße rund ein Drittel des Bürokratieaufwands auf steuerliche Verwaltungsaufgaben entfallen. Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die Nachweis- und Dokumentationspflichten, gefolgt von der Steuererklärung, der Rechnungsstellung sowie der Ermittlung und Abführung der Lohnsteuer.
Eine große Mehrheit (90 %) der Teilnehmer bewertet außerdem die Komplexität des Steuersystems als zu hoch. Lediglich ein kleiner Teil ist der Ansicht, dass eine solche Komplexität nötig ist, um eine sachverhaltsabhängige und differenzierte Besteuerung durchzuführen. Außerdem gab ein Großteil (70 %) der Unternehmen an, dass die Informationen der Finanzverwaltungen bei steuerlichen Fragen nicht ausreichen.
Die Studie zeigt überdies, dass bei vielen Unternehmen (80 %) Misstrauen über die Verwendung der Steuereinnahmen herrscht. „Fehlendes Vertrauen in Staat und Steuersystem ist schlecht für die Wirtschaft und für das gesellschaftliche Klima in diesem Land“, erklärt Maiterth. „Wir hoffen, mit unserer Forschung dazu beitragen zu können, dass dieses Vertrauen wieder wächst – indem wir als Mittler zwischen Praxis und Politik Missstimmungen und Fehlwahrnehmungen aufdecken, Ursachen identifizieren und potenzielle Lösungswege aufzeigen“, ergänzt Sureth-Sloane.