Robert Klatt
In Deutschland müssen viele Arbeitnehmer lange pendeln. Das Start-up JobSwop.io aus Chemnitz möchte dieses Problem mit einer innovativen Online-Tauschplattform lösen.
Chemnitz (Deutschland). Laut den Pendleratlanten der Bundesagentur für Arbeit (BA) pendeln 13,7 Millionen der 34,173 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (40 %) in anderen Kreis zur Arbeit. Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) zeigen, dass knapp ein Fünftel (19,1 %) der Pendler mindestens 25 Kilometer von ihrem Arbeitsweg entfernt wohnen. Anfahrtszeiten von mehr als 45 Minuten im zäh fließenden Berufsverkehr sind in Deutschland also keine Seltenheit.
Das in Chemnitz beheimatete Start-up JobSwop.io möchte dieses Problem mit einem innovativen Konzept lösen. Entstanden ist die Idee, weil Felix Nawroth, einer der Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens, nach seinem Maschinenbaustudium an der Technischen Universität Chemnitz (TU Chemnitz) bei seinem ersten Arbeitsplatz selbst einen anderthalb Stunden Fahrtzeit pro Tag hatte.
An einem Tag in Chemnitz bemerkte Nawroth an einer doppelspurigen Hauptstraße, dass ihm jeden Morgen und Abend dieselben Personen begegnen. Unter diesen Berufspendlern müsste es zumindest einen geben, der täglich nach Chemnitz fahren muss, um eine ähnlichen Arbeit wie er selbst auszuführen. Durch einen möglichen Arbeitsplatztausch könnten beide das Autofahren am Morgen vermeiden und so das alltägliche Pendlerdilemma umschiffen.
„Aber dann wurde mir klar, dass, selbst wenn das der Fall wäre, würden wir nie voneinander erfahren werden. Denn auf einer der klassischen Jobbörsen würde der eine wie der andere Job erst als ‚frei‘ sichtbar werden, wenn ihn einer von uns beiden wirklich verlassen würde.“
Als Lösung für das Problem entwickelte der Ingenieur mit seinen Co-Gründern, dem Wirtschaftsinformatiker Frank Burian und dem BWLer Jan Meier, eine Online-Plattform für Jobs. Eine neuartige Online-Tauschplattform bietet einen Ansatz, den herkömmliche Jobportale bisher vermissen lassen: Die Sichtbarmachung von Arbeitsstellen, die aktuell von potenziell Wechselwilligen eingenommen werden.
Die angebotenen Positionen sollen getauscht werden, um bessere Arbeitsbedingungen für alle Beteiligten zu ermöglichen. Trotz der komplex erscheinenden Thematik basiert das Konzept des Entwicklers auf einer einfachen Grundidee. Nawroth, der Schöpfer der App JobSwop.io, erklärt, dass es in der deutschen Wirtschaft nahezu in allen Branchen an Fachpersonal fehlt. Der Arbeitsmarkt habe sich daher von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt.
„Vor 20 Jahren hast du als Unternehmen eine Ausschreibung gemacht, da haben sich 20 Leute beworben und du konntest dir den Besten raussuchen. Doch diese Zeiten sind vorbei, das heißt jetzt für die Unternehmen, dass sie sich bei den potenziellen Arbeitnehmern bewerben müssen. Die Stellenportale funktionieren aber immer noch nach dem alten Prinzip. Es wird sich nur auf die Unternehmen konzentriert. Und mit möglich viel Aufwand versucht deren Interessen zu streuen. Und wir sagen jetzt als erste: wenn wir uns schon in einem Arbeitnehmermarkt befinden, streuen wir natürlich eher die Arbeitnehmerinteressen und müssen die fragen, was sie denn bezüglich ihres idealen Jobs wollen.“
Das Unternehmen JobSwop.io entstand auf einem blanken Blatt Papier und wurde ohne finanzielle Unterstützung von externen Investoren auf den Markt gebracht. Seit der Gründung im Oktober 2020 wurden neun Monate lang Programmierarbeiten durchgeführt und die App ist seit Mitte 2021 voll funktionsfähig und kontinuierlich weiterentwickelt worden. Nawroth betont, dass die App bereits auf dem Markt war und Nutzer hatte, bevor sie überhaupt Geld von anderen erhielten. Seit einem Jahr ist JobSwop.io für iOS- und Android-Geräte sowie als WebApp für alle Browsernutzer verfügbar, sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber.
Die Nutzung der Plattform ist denkbar einfach: Interessierte melden sich mit ihrem aktuellen Job an und erhalten regelmäßig Vorschläge für offene Stellen oder Tauschangebote von anderen JobSwoppern. Das System funktioniert ähnlich wie bei Partnervermittlungen, indem Nutzer Kontaktanfragen versenden und die Gegenseite diese annehmen oder ablehnen kann. Unternehmen, die sich bei JobSwop.io anmelden, profitieren im Vergleich zu herkömmlichen Jobbörsen davon, dass die registrierten Arbeitnehmer bereits angestellt sind und laut Felix Nawroth „im Rhythmus“ stehen. Der Algorithmus der Plattform kann diese wechselbereiten Fachkräfte gezielt Arbeitgebern vermitteln, da er Informationen über ihre Fähigkeiten und gewünschten Arbeitsorte besitzt.
„Nehmen wir zwei Bäcker aus zwei unterschiedlichen Stadtteilen Bremens, die einen neuen Job suchen. Die schaffen sich, sobald sie das irgendwo inserieren – ja auch schon gegenseitig ein Angebot. Und so entstehen sehr sehr viele Matches, die im Jobtausch passen könnten und somit die potenziell offenen Stellen sichtbar machen.“