Robert Klatt
Innerhalb der 38 OECD-Staaten hat Deutschland die zweithöchste Abgabenlast. Einer der Hauptgründe dafür ist das teure Sozialsystem.
Paris (Frankreich). Laut einer neuen Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Deutschland unter den 38 Mitgliedstaaten bei Arbeitseinkommen die zweithöchste Steuer- und Abgabenlast. Ein verheiratetes Paar mit Kindern muss im Durchschnitt für Steuern und Sozialabgaben 40,8 Prozent seines Einkommens entrichten. Lediglich in Belgien ist die Belastung mit 45,5 Prozent noch höher. Im Mittel liegt die Abgabenlast bei den 38 Industrieländern bei 29,4 Prozent.
Bei der steuerlichen Belastung von Alleinstehenden nimmt Deutschland mit einer Quote von 47,8 Prozent den zweiten Rang ein, lediglich übertroffen von Belgien, das mit 53,0 Prozent die höchste Belastung aufweist. In der Rangliste folgen unmittelbar nach Deutschland Länder wie Frankreich, Österreich und Italien. Der Durchschnittswert für Single-Haushalte innerhalb der OECD-Länder beträgt 34,6 Prozent. Eine signifikant geringere Abgabenlast sowohl für Alleinstehende als auch für Familien mit Kindern ist in Ländern wie der Schweiz, Israel, Großbritannien und den Vereinigten Staaten zu verzeichnen.
Laut Nicola Brandt, der Leiterin des OECD Berlin Centre, ist vor allem das Sozialsystem für die hohe Abgabenlast in Deutschland verantwortlich.
„Niedrigere und mittlere Arbeitseinkommen unterliegen in Deutschland im internationalen Vergleich relativ hohen Steuern und Abgaben. Das liegt vor allem daran, dass die Sozialversicherungssysteme im Wesentlichen über Sozialabgaben finanziert werden.“
Den verhältnismäßig hohen Abgaben in Deutschland stehen allerdings auch direkte Leistungen wie Ansprüche auf Renten, Kranken- und Arbeitslosenversicherungen gegenüber. Des Weiteren sind in der Darstellung Transferzahlungen wie das Kindergeld sowie steuerliche Vergünstigungen, beispielsweise der Arbeitnehmerpauschbetrag oder Grund- und Kinderfreibeträge, nicht berücksichtigt.
Unter Einbeziehung dieser Faktoren ergibt sich für Familien laut Berechnungen des Handelsblatt eine Belastung von etwa 20 Prozent, was einem mittleren Platz im OECD-Vergleich entspricht. Im Gegensatz dazu verfügen zahlreiche Länder, wie beispielsweise die USA, Mexiko oder Griechenland, über weniger umfassende Sozialsysteme, sodass Arbeitnehmer dort einen größeren Anteil ihres Einkommens für die eigene Absicherung aufbringen müssen.
Wie Brandt erklärt, kann die hohe Steuer- und Abgabenlast zu Fehlanreizen führen.
„Unter Umständen lohnt es sich nicht, mehr zu arbeiten und besser bezahlte Stellen anzunehmen.“
Die Ökonomin der OECD betont, dass die Umwelt- und Grundsteuern in Deutschland im internationalen Vergleich nicht besonders hoch ausfallen. Darüber hinaus existieren in gewissem Maße großzügige Befreiungen bei der Besteuerung von Erbschaften und Kapitaleinkünften. Aus diesem Grund erkennt Brandt durchaus Möglichkeiten für "aufkommensneutrale Reformen im Bereich der Steuer- und Transfergestaltung", welche insbesondere niedrigere Arbeitseinkommen entlasten könnten. Solche Reformen wurden von der OECD bereits mehrfach empfohlen.