Robert Klatt
Digitale Medien wie Facebook helfen dabei, politische Informationen zu verbreiten. In etablierten Demokratien wie Deutschland überwiegen jedoch die negativen Effekte, und es kommt durch das Internet zu mehr Populismus, einer stärkeren Spaltung der Bevölkerung und einem sinkenden Vertrauen in staatliche Institutionen.
Cambridge (England). Forscher des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) haben bereits 2023 im Fachmagazin Nature Human Behaviour eine umfassende Metastudie publiziert, die untersucht hat, wie das Internet und im Speziellen soziale Medien die Politik beeinflussen. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass Facebook und Co. dabei helfen, politische Inhalte in der Bevölkerung zu verbreiten. Laut der Metaanalyse kann es dadurch in Autokratien und instabilen Demokratien zu positiven Effekten kommen. Es gibt aber auch negative Auswirkungen, darunter mehr Populismus, eine stärkere Polarisierung und ein sinkendes Vertrauen in staatliche Institutionen. Diese Probleme betreffen vor allem etablierte Demokratien wie Deutschland.
Forscher der University of Cambridge haben laut dem MBIP die Studie nun repliziert und dabei weitere Studien einbezogen, die 2023 noch nicht veröffentlicht waren.
„Wir haben den ursprünglichen Datensatz um 110 Veröffentlichungen erweitert, die bis Mai 2024 erschienen sind. Unsere Ergebnisse bestätigen die Schlussfolgerungen der ursprünglichen Studie und zeigen, dass die Auswirkungen digitaler Medien auf die Demokratie je nach politischem Kontext und spezifischen Variablen variieren.“
Laut der Publikation des Institute for Replication (I4R) zeigt die kürzlich veröffentlichte Replikationsstudie ebenfalls, dass die negativen Effekte der digitalen Medien in etablierten Demokratien überwiegen. Demnach nimmt durch das Internet unter anderem die Verbreitung von Fakenews und Verschwörungstheorien und den daraus resultierenden Folgen zu.
„Die Replikationsstudie untermauert unsere Ergebnisse und die besorgniserregenden Trends halten an. Die korrelativen Belege häufen sich, dass digitale Medien politische Prozesse negativ beeinflussen können – wir sehen verschärfte Polarisierung, steigendes Misstrauen in demokratische Institutionen und Medien sowie eine verstärkte Verbreitung von Fehlinformationen.“
Wie die Forscher erklären, kann die Metastudie jedoch oft nur eine Korrelation, jedoch keine Kausalität, belegen.
„Für zukünftige Replikationen der Studie wäre es interessant, noch mehr Publikationen zu kausalen Zusammenhängen einzubeziehen. Doch bereits die bisherigen Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Forschungs- und Regulierungsbemühungen.“
Die Forscher erklären, dass die Studienergebnisse deutlich zeigen, dass digitale Medien sowohl ein großes Potenzial für mehr politische Partizipation eröffnen, als auch eine Gefahr darstellen.
„Wir haben genug konvergierende Evidenz, um diese Herausforderungen ernst zu nehmen und Strategien zu entwickeln, die die Risiken minimieren und gleichzeitig die demokratischen Potenziale digitaler Medien bestmöglich nutzen und schützen.“
Laut ihnen ist es denkbar, dass neue politische Maßnahmen wie der Digital Services Act der Europäischen Union (EU) dabei helfen, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dadurch könnten negative Aspekte, etwa die Verbreitung von Falschinformationen, abnehmen, während das demokratische Potenzial der Internetportale erhalten bleibt.
„In Bezug auf die Wissenschaft sieht Digital Service Act vor, dass in der EU große Plattformen und Suchmaschinen Forschenden Zugang zu Daten zur Untersuchung von ‚systemischen Risiken‘ zu gewähren haben, etwa bezüglich der Verbreitung illegaler Inhalte, gezielter Falschinformation und Hass sowie Gefahren für Gesundheit und Minderjährige. Aus diesen empirischen Ergebnissen Konsequenzen zu ziehen ist Aufgabe der Politik.“
Nature Human Behaviour, doi: 10.1038/s41562-022-01460-1