Berlin und Co.

Experten empfehlen Citymaut in Deutschland

 Robert Klatt

Straßenverkehr in Berlin )kcotS ebodAcinorteye(Foto: © 

In den deutschen Großstädten fließt der Verkehr immer langsamer. Forscher empfehlen deshalb die Einführung einer Citymaut in Höhe von bis zu 500 Euro.

Köln (Deutschland). Laut dem Traffic Index des Unternehmens TomTom fließt der Verkehr in den meisten Großstädten immer langsamer, darunter auch Berlin, Hamburg und München. New York City hat auf diese Entwicklung kürzlich mit einer sogenannten Citymaut reagiert, die Autofahrer bezahlen müssen, wenn sie tagsüber in bestimmte Bereiche der Metropole fahren möchten. Neben New York City gibt es auch in Singapur, London, Oslo, Trondheim und anderen Metropolregionen der Welt eine Citymaut.

In Deutschland hat sich bisher noch keine Stadt für diese verkehrspolitische Maßnahme entschieden. Forscher des Instituts für Verkehr des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben nun gegenüber dem Tagesspiegel (Paywall) empfohlen, dass Berlin als erste Stadt der Bundesrepublik eine Citymaut einführen sollte, um auf das immer größer werdende Stauproblem zu reagiert. 2024 standen Autofahrer in der Hauptstadt im Mittel 58 Stunden im Stau, also drei Stunden mehr als 2023.

„Berlin ist zunehmend als eine verstaute Metropole bekannt. Wenn die Verstauung weiter zunimmt, dann ist eine Citymaut momentan das einzige Instrument, um Herr der Lage zu werden.“

Zielgerichtete verkehrspolitische Maßnahme

Wie die Forscher erklären, konnten andere Städte durch die Einführung der Citymaut ihre Stauprobleme in besonders belasteten Abschnitten deutlich reduzieren.

„Eine Maut wirkt vergleichsweise zielgerichtet. Sie setzt dort an, wo der Stau entsteht.“

In Berlin wäre eine Citymaut laut Gernot Liedtke, dem Leiter des Instituts für Verkehr des DLR, innerhalb des S-Bahn-Rings sinnvoll, weil dieser eine klare Grenze definiert.

„Damit es verkehrlich eine Wirkung erzielt, muss der Tagespreis mindestens in Höhe eines BVG-Einzeltickets liegen.“

Laut dem Verkehrsforscher ist eine Maut im Vergleich zu anderen Maßnahmen am gerechtesten.

„Was sind denn die Alternativen? Eine Lotterie wäre vielleicht auf dem Papier gerecht, aber ist darum nicht besser.“

Noch sinnvoller als eine Tagespauschale wäre laut Liedtke jedoch eine kilometerabhängige Maut.

„In der Regel fahren Menschen mit höherem Einkommen mehr Auto. Insbesondere bei jeder Maut, die kilometerabhängig ist, zahlen diese Personen im Schnitt auch mehr Gebühren.“

Andreas Knie, ein Verkehrsforscher des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), ist ebenfalls der Ansicht, dass Berlin eine Citymaut einführen sollte. Knie hat bereits im Auftrag der Senatsverkehrsverwaltung unter Leistung der Grünen ein entsprechendes Konzept ausgearbeitet, dessen Umsetzung bisher aber noch nicht geplant wurde. Das Konzept sieht vor, dass die Mehreinnahmen in den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) investiert werden.

„Die Citymaut ist der Zauberstab der Kommunalpolitik. Damit hat man eine unglaubliche Steuerungswirkung auf den Verkehr.“

Knie ist wie Liedtke ebenfalls der Ansicht, dass eine Abrechnung nach gefahrenen Kilometern und Zeit auf einem Parkplatz die beste Lösung wäre. Die intelligente Lösung könnte laut ihm ohne komplexe Infrastruktur umgesetzt werden, weil das Tracking über Smartphones erfolgen könnte.

„Wir würden die Benutzung der Straßen für den fließenden und ruhenden Verkehr bepreisen. Wenn man weniger fährt, wird es billiger.“

Zudem erklärt Knie, dass eine soziale Staffelung sinnvoll wäre. Diese soll sowohl die Autogröße als auch das Einkommen berücksichtigen. Die Monatspreise sollen laut Knie von 40 bis 50 Euro im Monat inklusive Parken für Kleinwagen anfangen und bis 400 bis 500 Euro für besonders große Autos reichen.

„Bestimmte Einkommensgruppen kann man so ganz davon freistellen. Die, die wirklich Geld haben und mit dicken Autos durch die Stadt fahren, könnte man dagegen zur Kasse bitten.“

Eine Studie des TÜV-Verband e. V. zeigte kürzlich, dass ein Großteil der Deutschen (56 %) eine Citymaut trotz der angespannten Verkehrssituation ablehnen. Außerdem fehlt noch die rechtliche Grundlage dafür, weil die Straßenverkehrsordnung (StVO) bisher noch keine Gebühren für die Nutzung einer Straße vorsieht. Es wäre deshalb eine Ausnahmegenehmigung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) nötig.

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