Robert Klatt
Ein Großteil der Deutschen hält Finanzwissen für wichtig. Die Finanzkompetenz der Bevölkerung und auch der Finanzentscheider aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist aber oft schlecht
Wiesloch (Deutschland). In Deutschland waren Finanzthemen wie die schwankenden Börsenkurse, die hohe Inflation und die steigenden Krankenkassenbeiträge in den letzten Monaten in den Nachrichten omnipräsent. Es ist somit nicht überraschend, dass ein Großteil der Bevölkerung laut dem MLP Finanzkompetenzreport 2022 Finanzwissen als (sehr) wichtig einschätzt. An der Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD Allensbach) nahmen über 1.000 Bundesbürger und 320 Finanzentscheider aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) teil.
Die meisten Deutschen (88 %) halten Kenntnisse im Finanzbereich demnach für (sehr) wichtig. Lediglich ein kleiner Teil (2 %) ist der Meinung, dass Finanzwissen kaum oder gar nicht wichtig ist. Großes Interesse an den Themen Finanzen und Ökonomie haben aber nur 37 Prozent der Bevölkerung. Die übrigen Bundesbürger haben weniger großes (46 %) oder kaum beziehungsweise gar kein Interesse (14 %) an Finanzen.
Etwa die Hälfte der Deutschen hat laut dem Finanzkompetenzreport die Selbsteinschätzung, dass sie sich mit Finanzen gut auskennen. Auffallend ist hier eine deutliche Diskrepanz zwischen den Geschlechtern, die in ähnlicher Form auch bei einer Studie, in der die Probanden ihre Intelligenz einschätzen sollten, aufgetreten ist. Mehr als die Hälfte der Männer (59 %) hält die eigene Finanzkompetenz für gut. Bei den Frauen hält hingegen über die Hälfte (58 %) das eigene Finanzwissen für weniger oder gar nicht gut. Außerdem bewerten Personen mit niedrigen Haushaltseinkommen (61 %), unter 30-Jährige (64 %) und Personen mit einfacher Schulbildung (67 %) ihr Finanzwissen als weniger gut oder gar nicht gut.
Um die Selbsteinschätzung des Finanzwissens der Probanden zu prüfen, führten die Studienautoren mit ihnen einen Realitätstest durch. Die Antworten der Probanden belegen, dass im Bereich „Geld“ bei mehr als einem Drittel der Probanden (37 %) beim Thema Inflation Fehlannahmen existieren. Auch beim Thema Investieren ist selbst das Grundlagenwissen oft mangelhaft. Ein Viertel der Probanden ist etwa der Ansicht, dass man mit einem Tagesgeldkonto in der Regel eine höhere Rendite erzielen kann als an der Börse, obwohl ein Finanzvergleich das Gegenteil belegt.
Wie Jan Berg, Sprecher des Vorstands der MLP Finanzberatung SE und verantwortlich für die MLP School of Financial Education, erklärt, gibt es Fehleinschätzungen der Finanzkompetenz in allen demografischen Gruppen.
„Der MLP Finanzkompetenzreport zeigt deutlich, dass mangelhaftes Finanzwissen weit verbreitet ist – über alle Geschlechter, Altersgruppen und Bildungsschichten hinweg. Gerade bei so wichtigen Themen wie der Rente oder der passenden Absicherung kann dies gravierende Folgen haben. Es ist wichtig, mehr Interesse an Finanzthemen zu wecken und die finanzielle Bildung zu stärken.“
Die Antworten auf die 24 Fragen des Realitätstests zum finanziellen Grundwissen belegen, dass in allen Bereichen deutliche Defizite bestehen. Nur etwa drei Viertel (72 %) der Bevölkerung konnte die vorgelegten Aussagen richtig beurteilen, erklärten aber oft, dass sie sich bei ihrer Antwort nicht sicher seien.
Die Ergebnisse des Realitätstests zeigen, dass das Geschlecht und die Schulbildung in Deutschland die Finanzkompetenz kaum beeinflussen. Die Aussagen wurden von Männer (74 %) nur geringfügig öfter richtig bewertet als von Frauen (70 %). Ähnlich groß ist auch der Einfluss der Schulbildung. Personen mit höherer Bildung (74 %) und mittlerer Bildung (73 %) schnitten bei der Beurteilung der Aussagen nahezu gleich ab. Die Ergebnisse von Personen mit einfacher Schulbildung liegen knapp darunter (67 %).
Neben der Allgemeinbevölkerung untersuchte die Studie auch die Finanzkompetenz von Führungskräften kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Diese erzielten bei der Beurteilung von Aussagen zu Privatfinanzen (81 %) ein besseres Ergebnis als der Bevölkerungsdurchschnitt (72 %).