Gerechtigkeitsempfinden

Große Mehrheit der Deutschen möchte Umverteilung von Reichtum

Robert Klatt

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Auf den Punkt gebracht
  • Ein Großteil der Deutschen ist der Ansicht, dass die Vermögen und Einkommen ungerecht verteilt sind und das Reiche mehr von ihrem Vermögen abgeben müssen
  • Bereit dazu höhere Steuern zu bezahlen, um eine Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen, sind aber nur wenige Menschen

Laut einer Studie zum Gerechtigkeitsempfinden möchte eine Mehrheit der Menschen in Deutschland, dass Reiche mehr von ihrem Vermögen abgeben müssen. Wenn es um das eigene Geld geht, nimmt der Wunsch zur Umverteilung aber ab.

Gütersloh (Deutschland). Ein Großteil der Deutschen ist laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung der Ansicht, dass die Verteilung von Vermögen im Land nicht gerecht ist. Wie die Autoren erklären, ist das ein Anlass zur Sorge, weil Menschen, die mehr Ungerechtigkeit empfinden, ihr Vertrauen in die Politik und die staatlichen Institutionen verlieren und seltener zu Veränderungen bereit sind.

An der Studie „Gerechtigkeitsempfinden in Deutschland“, die in Kooperation mit dem IFO-Institut Ende 2021 erstellt wurde, nahmen 4.900 Personen ab 18 Jahren teil. Im Rahmen einer Onlineumfrage wurden diese zur allgemeinen Verteilungsgerechtigkeit in der Gesellschaft, zu ihrem Gerechtigkeitsempfinden im Hinblick auf das eigene Einkommen und Vermögen sowie zu den unterschiedlichen Generationen befragt.

Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland

Laut den Ergebnissen der Umfrage empfindet nur ein kleiner Teil der Menschen in Deutschland (17 %), dass es in der Bundesrepublik Verteilungsgerechtigkeit gibt. Mehr als ein Viertel (27 %) ist der Ansicht, dass es zwischen den Generationen gerecht zugeht. Mehr als ein Drittel der Teilnehmer ist der Ansicht, dass das eigene Vermögen (34 %) und das eigene Einkommen (35 %) gerecht sind.

Es gibt dabei starke Differenzen zwischen den unterschiedlichen sozioökonomischen Gruppen. Menschen mit einer formal hohen Bildung und einem höheren Einkommen, Männer und Bildungsaufsteiger empfinden die Gesellschaft im Mittel als gerechter als Frauen, Menschen mit einer geringen formalen Bildung und Menschen mit einem kleinen Einkommen. Wie Dr. Kai Unzicker, Experte für gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bertelsmann Stiftung erklärt, führt die aktuelle ökonomische Situation dazu, dass bei vielen Menschen das empfundene Gerechtigkeitsempfinden weiter sinkt.

„Das Gerechtigkeitsempfinden ist in Deutschland schon seit längerer Zeit eher schwach ausgeprägt, aber angesichts der schwierigen Wirtschaftslage, der hohen Inflation und des herausfordernden Transformationsprozesses, in dem wir aktuell stecken, kommt ihm eine entscheidende Bedeutung zu.“

Kaum Bereitschaft für Veränderungen

Dieses Ergebnis ist für die Regierung problematisch, weil die empfundene Gerechtigkeit in einem Land mit dem Vertrauen in die Politik und staatliche Institutionen korreliert. Menschen, die sich ungerecht behandelt fühlen, sind also weniger oft bereit für Veränderungen. Angesichts der aktuellen Situation benötigt die Politik jedoch eine breite Legitimationsbasis, um die nötigen Änderungen durchzusetzen. Wie die Autoren erklären, droht ein weiterer Rückgang des gesellschaftlichen Zusammenhalts, wenn die gefühlte Ungerechtigkeit zunimmt.

Es ist deshalb nicht überraschend, dass ein Großteil der Umfrageteilnehmer (75 %) sich dafür ausspricht, die Unterschiede zwischen Arm und Reich zu reduzieren. Paradoxerweise wäre jedoch nur ein deutlich kleinerer Anteil (37 %) auch bereit, dafür höhere Steuern zu bezahlen.

Wahrnehmung der Generationengerechtigkeit

Ein ähnlich paradoxes Ergebnis gibt es auch bei der Wahrnehmung der Generationengerechtigkeit. Die Hälfte der Teilnehmer geht davon aus, dass die jüngeren Generationen im Vergleich zu ihren Eltern deutliche Wohlstandseinbußen hinnehmen müssen. Trotzdem sprechen sich nur wenige Menschen (20 %) dafür aus, dass das Rentensystem angepasst, dass auf neue Schulden verzichtet wird oder dass das Wahlreicht zugunsten von jüngeren Bürgern angepasst wird. Lediglich der Klimawandel bildet hier eine Ausnahme. Fast drei Viertel (69 %) der Befragten sind der Ansicht, dass zum Erreichen der Klimaziele ein stärkerer Einsatz nötig ist.

Ist Reichtum in Deutschland nur Glück?

Deutlich über die Hälfte (62 %) der Probanden ist der Meinung, dass Reichtum in Deutschland von den Eltern abhängt oder nur mit Glück aufgebaut werden kann. Die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft werden trotzdem von fast allen Teilnehmern unterstützt. Ein Großteil unterstützt demnach das Leistungsprinzip (85 %), nachdem Menschen, die mehr leisten, auch mehr erhalten und das Bedarfsprinzip (95 %), nachdem die Gerechtigkeit einer Gesellschaft sich daran ausdrückt, wie diese mit Hilfsbedürftigen umgeht.

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