Dennis L.
Die Frage, ob Poker ein Geschicklichkeitsspiel oder ein Glücksspiel ist, mag vielen nicht so wichtig erscheinen, dennoch müssen immer wieder Gerichte genau über diese Frage entscheiden. Nun haben sich Forscher der Universität Heidelberg der Frage angenommen und eigentlich eine klare Antwort gefunden.
Heidelberg (Deutschland). Seit Jahren ist Poker, vor allem die Spielvariante Texas Hold’em, eines der beliebtesten Kartenspiele für Erwachsene überhaupt. Ob im Freundeskreis, auf kleinen oder größeren Turnieren oder am digitalen Tisch in einem Online-Casino - fast jeder hat schon einmal die eine oder andere Runde gepokert. Doch was für die meisten spielbegeisterte Poker-Fans nur Spaß und eben auch nur ein Spiel ist, ist aus rechtlicher Sicht deutlich komplizierter. Hier streiten sich nämlich Gerichte aus ganz Europa seit Jahren, ob es sich bei dem Kartenspiel Poker um ein Glücksspiel oder vielmehr um ein Geschicklichkeitsspiel handelt.
Die Frage endgültig zu beantworten ist daher wichtig, da Poker, sollte es sich bei dem Spiel um ein Glücksspiel handeln, unter das Glücksspielgesetz fällt und damit diversen rechtlichen Auflagen unterliegen würde. Geschicklichkeitsspiele hingegen müssen sich nicht an besagte Bestimmungen und Regularien halten.
In Deutschland gibt es zwar eine klare Definition, welche Art von Spielen als Glücksspiel zählen und welche nicht, dennoch ist die offizielle Definition etwas schwammig formuliert und bietet Platz für Interpretationen. So heißt es im Staatsvertrag zum Glücksspiel in Deutschland (Glücksspielvertrag - GlüStV), Paragraf 3, Absatz 1:
Stellt sich also die Frage, wie sehr ein Gewinn beim Poker wirklich vom Zufall abhängt oder wie stark die jeweilige Geschicklichkeit der Spieler den Spielverlauf beeinflusst. Forscher um Prof. Dr. Jörg Oechssler von der Universität Heidelberg haben nun ein Wertungssystem entwickelt, welches den Glücksanteil beim Poker genau messen kann. „Das System ähnelt der sogenannten Elo-Zahl beim Schach“, berichten die Forscher im Fachjournal European Economic Review.
Der Weltschachverband greift hier auf das sogenannten FIDE Rating System zurück, welches jedem Spieler eine Wertungszahl zuweist - die umgangssprachliche Elo-Zahl. Diese Zahl beschreibt letztendlich die Stärke eines Spielers. Je höher die Elo-Zahl, desto stärker der Spieler. Treten zwei Spieler bei einer Partie Schach gegeneinander an, so kann anhand der Elo-Zahl ein Rückschluss auf das zu erwartende Ergebnis gezogen werden. Je nach Spielergebnis beeinflusst dies wiederum die Elo-Zahl der beiden Spieler.
Wie die Heidelberger Forscher erklären, liegen beim Schach die Elo-Zahlen weit auseinander. Dabei reichen sie von kleinen Zahlen, wie sie meist Anfänger besitzen, bis zu einem Wert von über 2.800 wie man ihn bei Schach-Weltmeistern findet. Generell gilt hier: Je größer der Abstand zwischen den Elo-Zahlen, desto relevanter ist die Geschicklichkeit bei einem Spiel.
Je größer der Anteil des Glücks bzw. des Zufalls, so geringer fällt bei einer Spielerbewertung die Streuung aus. Dies ist auch beim Poker der Fall. So liegt beim Schach die Standardabweichung, also die durchschnittliche Abweichung vom Mittelwert, bei über 170. Beim Poker hingegen liegt dieser Wert bei maximal 30. Damit läge Poker unterhalb der Schwelle von 50 Prozent Geschicklichkeit und wäre demzufolge ein Glücksspiel. Jedoch ändere sich der Wert aber mit zunehmender Spielerfahrung, so die Forscher.
Es zeigt sich, dass beim Poker langfristig mehr und mehr die Geschicklichkeit Einfluss auf den Spielverlauf nimmt und das Glück eine immer kleinere Rolle spielt. Nach etwa 100 Partien würde ein Pokerspieler, der in der Standardabweichung besser als sein Gegenspieler ist, mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent mehr Partien gewinnen, etwa durch die bessere Ausahl der Starthände oder das cleverere Positionsspiel. Demnach handelt es sich beim Poker also eher um ein Geschicklichkeits- als um ein Glücksspiel.
Glück bzw. der Zufall spielt hingegen bei dem Kartenspiel Mau Mau eine wesentlich größere Rolle als beim Poker. Noch mehr Geschicklichkeit als beim Schach ist dafür beim chinesischen Brettspiel Go gefragt.
European Economic Review, doi: 10.1016/j.euroecorev.2020.103472