Stromproduktion

Kann Atomkraft die Kosten der Energiewende in Deutschland reduzieren?

 Robert Klatt

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Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Nun hat eine Studie verglichen, ob die Stromproduktion dazu ausschließlich aus erneuerbaren Energien erfolgen sollte, oder ob auch Atomkraftwerke für die Energiewende sinnvoll wären.

Berlin (Deutschland). Deutschland möchte bis 2045 klimaneutral werden. Die aktuelle Klimastrategie der Regierung sieht vor, dass dazu ein immer höherer Anteil der Stromproduktion mit erneuerbaren Energiequellen erfolgt. Der Ökostromanteil am Bruttostromverbrauch lag 2024 bereits bei mehr als der Hälfte und soll in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Kritiker befürchten jedoch, dass dadurch die Versorgungsstabilität abnimmt und die Strompreise steigen.

Nun hat die Umweltorganisation WePlanet eine Studie publiziert, die die deutsche Energiewende kritisiert. Laut WePlanet war der Ausstieg aus der Kernkraft am 15. April 2023 ein Fehler, weil dadurch die Versorgungssicherheit des Landes abnimmt und es zu höheren CO₂-Emissionen und Energiepreisen kommt.

Zwei Szenarien für die Energiewende

Die Wissenschaftler von WePlanet haben für ihre Studie zwei Szenarien analysiert, mit denen Deutschland bis 2045 seinen gesamten Strom klimaneutral produzieren könnte. Im ersten Szenario nutzt das Land dazu neben der Wind- und Wasserkraft auch Atomkraftwerke, während im zweiten Szenario ausschließlich erneuerbare Energien verwendet werden.

Im Szenario mit Atomkraft würde Deutschland 2045 einen bedeutenden Anteil seines Stroms mit Atomkraftwerken produzieren (43 %). Dazu müssten die kürzlich deaktivieren Kraftwerke wieder hochgefahren werden und es müssten neue Atomkraftwerke entstehen. Der übrige Strom würde sich hauptsächlich auf die Windkraft an Land (34 %) und Solaranlagen (11 %) aufteilen. Laut den Forscher wäre die Stromversorgung in diesem Szenario verlässlicher und die Kosten lägen bei 82 Euro pro Megawattstunde (MWh) und 0,7 Euro Netzausbaukosten pro MWh.

Im Szenario ohne Atomkraft würden Wind- und Solaranlagen einen Großteil des Stroms produzieren. Windkraftanlagen an Land und auf dem Meer hätten den höchsten Anteil (50 %), gefolgt von Solaranlagen (28 %). Weil diese Arten der Stromproduktion sehr wetterabhängig sind, wären deutlich mehr Gaskraftwerke als Reserve nötig als im Szenario mit Atomkraftwerken. Die Kosten je MWh lägen bei 105 Euro und die Netzausbaukosten pro MWh bei 8,5 Euro. Außerdem wäre der Erdgasverbrauch über dreimal so hoch und es wären mehr Stromspeicher nötig.

Deutlicher Ausbau der Atomkraftwerke

Die Forscher von WePlanet empfehlen deshalb, dass Deutschland seine bisherige Energiewendestrategie überdenken sollte, weil laut ihnen erneuerbare Energien in Kombination mit Atomkraftwerken die Klimaziele zuverlässiger und günstiger erreichen könnten. Laut der Berechnung würde Deutschland in diesem Szenario 2045 nur ein Drittel so viel CO₂ durch die Stromproduktion emittieren wie ohne Atomkraftwerke.

Um das Szenario umsetzen zu können, müssen Deutschland seine Kraftwerkskapazität jedoch stark ausbauen. Die sechs kürzlich abgeschalteten Atomkraftwerke haben eine Gesamtleistung von rund 8 Gigawatt (GW), nötig wären aber 57 GW. Außerdem erklärt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, dass sich die Kosten der Atomenergie je nach Studiendesign stark unterscheiden. Kritische Studien gehen von Kosten aus, die etwa doppelt so hoch sind wie die Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA).

„Es zeigt sich, dass die ökonomische Bewertung der Kernkraft keine rein technische oder wissenschaftliche Frage ist.“

Laut Grimm ist die Entscheidung pro oder contra Atomkraft deshalb vor allem eine politische Entscheidung, die auch die langfristigen gesellschaftlichen Risiken miteinbeziehen sollte.

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